Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Plötzlich ist Politik wieder ein Thema

Jahrelang sprachen wir kaum über Politik – genauer gesagt: Ich sprach nicht über Politik.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Aber plötzlich ist Politik in meinem Freundeskreis und in meiner Familie wieder ein Thema. Jahrelang sprachen wir kaum über Politik – genauer gesagt: Ich sprach nicht über Politik. Das Thema schien mir ein wenig grauslich zu sein, es hinterließ einen üblen Geschmack im Mund. Es war so, als könnte ich die Politik ungeschehen machen, indem ich nicht über sie sprach.

Natürlich war mir klar, wie wichtig Politik ist: Politik schafft die Rahmenbedingungen, unter denen unser Leben stattfindet. Und da gab es genug wichtige Themen: Teuerung, Krieg und nicht zuletzt der vom Menschen gemachte Klimawandel. Aber ich hatte das Gefühl: Es ist sinnlos, darüber zu reden. Ich kann es ohnehin nicht beeinflussen, sieht man von einer Wählerstimme alle paar Jahre ab.

Dabei habe ich sogar eine ehemalige Politikerin in der Familie. Sie ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Politiker sein könnten, würden sie sich trauen: Integer. Engagiert. Überzeugt und überzeugend. Kein Wunder, dass ihr die große Karriere in der Politik nicht gelang. Sie war einfach zu gut.

Jetzt ist alles anders. Plötzlich diskutieren wir über Politik. Freunde, Verwandte, Kollegen. Nicht selten schicke ich mit Menschen, die ich gar nicht so gut kenne, bis spät in den Abend WhatsApps hin und her, in denen wir uns über die aktuellen politischen Vorgänge austauschen.

Es liegt wohl daran, dass sich in der Politik in letzter Zeit Dinge getan haben, die man für unmöglich hielt. Jetzt wurden sie Realität. Manche freuen sich darüber, andere ärgern sich, nicht wenige haben Angst. Aber all das hat dazu geführt, dass wir uns wieder für Politik interessieren und darüber reden. Obwohl der Geschmack, der dabei im Mund verbleibt, immer noch nicht so besonders gut ist. Aber dann putzt man sich halt häufiger die Zähne.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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