Guidos Kolumne: Rohe Eier am Kopf
Wir gingen mit der Inszenierung sogar auf Straßen-Theater-Tournee durch Österreich.
Meine Theaterleidenschaft begann im Volksschulalter. Damals beschloss ich, gemeinsam mit meinen Freunden ein Stück namens "Der Drache und das Brot" aufzuführen. Ich kann mich nicht mehr genau an die Handlung erinnern, es ging, glaube ich, darum, dass ein Drache das Brot erfindet, weil er Hunger hat, aber keine Lust, Menschen zu fressen. Ich war Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in einer Person.
Die Premiere fand nie statt, weil Autor und Hauptdarsteller mit dem diktatorischen Arbeitsstil des Regisseurs nicht einverstanden waren. Als Gymnasiast machte ich dann bei der Theatergruppe meiner Mutter mit. Ich spiele gerne und schlecht, was mir aber selber nicht auffiel – ich selber fand mich grandios. Später stieg ich dann bei einer anderen Theatergruppe ein.
Wir spielten "Die kahle Sängerin" von Eugene Ionesco. Wobei meine Aufgabe darin bestand, das Stück zu unterbrechen, Auszüge von Handkes "Publikumsbeschimpfung" zu brüllen und mir dabei rohe Eier am Kopf zu zerschlagen. Das Ganze war eher peinlich, aber ich fand es großartig. Wir gingen dann mit der Inszenierung sogar auf Straßen-Theater-Tournee durch Österreich. Wir fuhren in einem schrottreifen VW-Bus durchs Land, unser Busfahrer war ein langbärtiger Student namens Otti.
Otti war Kommunist und drohte allen mit Schlägen, die diese seine Haltung in Zweifel zogen. Wir spielten unter anderem in Salzburg und in Bregenz auf öffentlichen Plätzen. Fast überall wurden wir von der Polizei rasch vertrieben.
Die Liebe zum Theater blieb. Ich mag es, dass Theater aus Luft gebaut ist – es lebt immer nur im Augenblick und zerfällt mit Ende der Vorstellung wieder zu Staub. Heute darf ich Theaterkritiker sein, das macht mir große Freude. Und immer warte ich darauf, dass sich jemand Eier am Kopf zerschlägt.
Kommentare