Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Romantische Tage in Prag

Daheim war unsere Liebschaft noch geheim und Prag war für uns die Möglichkeit, einige Tage lang nicht Verstecken spielen zu müssen.

Es ist schon empörend lange her, da saß ich in einem Zug und grinste ein wenig dümmlich. Meine neue Freundin und ich fuhren nach Prag, um dort ein paar romantische Tage zu verbringen, und ich war bis an die Grenze der Bewusstlosigkeit verliebt. Wir waren alleine im Abteil, versperrten die Türe, und begannen … äh … intensiv zu schmusen. Irgendwann blieb der Zug auf offener Strecke stehen. 

Was wir zuerst nicht bemerkten: Direkt neben uns hielt ein anderer Zug, und einige von dessen Fahrgästen sahen uns durchs Fenster beim Schmusen zu. Ein paar applaudierten sogar, vermutlich schmusten wir gut. Ich fand Prag schön, was aber auch daran gelegen haben könnte, dass ich ununterbrochen meine Freundin ansah. Daheim war unsere Liebschaft noch geheim – wir hatten beide erst langjährige Beziehungen beendet und meine Freundin fürchtete eine schlechte Nachrede – und Prag war für uns die Möglichkeit, einige Tage lang nicht Verstecken spielen zu müssen. 

Ich erinnere mich noch, dass uns in unserem kleinen Appartement das Klopapier ausging. Es war schon spät am Abend, aber wir fanden einen winzigen Laden, der noch geöffnet war. Leider sprach der Besitzer weder Deutsch noch Englisch, und wir wussten nicht, was Klopapier auf Tschechisch hieß. Also stellten wir "Klopapier" pantomimisch dar, was vermutlich ein wenig gegen die guten Sitten verstieß, aber zum Erfolg führte. Daheim begann das Versteckenspielen wieder. Meine Freundin bewohnte das Erdgeschoß eines Hauses, ihre Schwester mit ihrer Familie die Stockwerke darüber.

Abends ließ meine Freundin die Haustüre angelehnt, und ich schlich mich hinein. Eines Tages rief ihre Schwester an und lud meine Freundin zum Frühstück. "Und den Guido nimmst du auch gleich mit", sagte sie. Wir erschienen mit hochroten Köpfen, peinlich berührt, aber sehr glücklich. 

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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