Guido Tartarotti

"ÜberLeben":Wir sind wieder zusammen

30 Jahre dauerte es, bis sie sich wieder fanden.

Es ist ein Sommertag mitten im Oktober, es hat 28 Grad, was ich gleichzeitig wundervoll wie erschreckend finde. Wir spazieren über die Mariahilfer Straße, ich fühle mich ein wenig sperr, wie man in der Mostviertler Heimat meiner Freundin sagt, also verkatert, wir hatten am Vorabend Wein verkostet. Aber die Sonne scheint, es ist wunderbar ruhig, und es ist ein guter Tag, um am Leben und ein wenig sperr zu sein

Im Museumsquartier summt es, so viele Leute sind da, wir essen ein asiatisch gewürztes Sandwich, trinken Saft und das Sperr-Gefühl verschwindet sofort. Wir wandern weiter zum Naschmarkt, vor einem Fischlokal sitzt Herbert Prohaska und grinst. Meine Freundin kennt ihn, weil sie in der ORF-Sportredaktion arbeitet, ich kenne ihn von einem großartig lustigen Interview. Herbert Prohaska winkt uns fröhlich zu und ruft: „Immer der Freundin nachgehen, sie kennt sich hier aus.“ Das soll wohl eine Anspielung darauf sein, dass er davon ausgeht, meine Freundin habe schon öfter auf dem Naschmarkt ein Glas getrunken.

Wir gehen weiter, zwischen den Gewürzständen durch, es riecht wunderbar, die Sonne steht schräg, und ich muss niesen. Wir wandern langsam zurück zur Mariahilfer Straße, vorbei an den Kaffeehäusern Drechsler und Sperl, wo die Menschen in der Sonne sitzen.

Vor dem Kabarettlokal Stadtsaal treffen wir zwei alte Bekannte, die ich ewig nicht mehr gesehen habe und die vor 30 Jahren einmal ein Paar waren. Sie haben sich beide überhaupt nicht verändert, und plötzlich sagt sie: „Wir sind übrigens wieder zusammen.“ Ich lache herzlich, weil ich das für einen guten Witz halte. Aber sie bleiben beide ernst. Es dauert eine Weile, bis ich kapiere: Die sind wirklich wieder zusammen. Beide lächeln sehr zufrieden und sind offenbar wirklich glücklich miteinander. Und ich finde, das ist so eine schöne Geschichte, dass ich sie unbedingt mit Ihnen teilen wollte.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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