Guidos Kolumne: Die Angst vor der Blasmusik
Erst Angst vor lauter Blasmusik, dann jugendliche Heavy-Metal-Liebe, aber die Bläser im Orchester waren noch immer zu laut?
Als ich ein Kind war, hatte ich Angst vor Blasmusik. Ich weiß, das ist ein etwas peinliches Geständnis. Denn wir Österreicher haben die Blasmusik in den Genen gespeichert, sie ist eines unserer Hauptnahrungsmittel.
Ich hatte Angst vor Blasmusik, weil sie mir zu laut war. Sie tat mir in den Ohren weh. Wir wohnten damals neben der Feuerwehr. Und die Blasmusik-Umgänge unserer Gemeinde begannen und endeten auf dem Platz vor der Feuerwehr, direkt unter dem Fenster meines Kinderzimmers.
Wenn die Blasmusik-Kapelle mit dem Umzug begann, war sie hoch motiviert und spielte besonders laut. Wenn die Blasmusik-Kapelle den Umgang beendete, war sie meist schon angeschlagen von den Schnäpsen, welche die Musiker unterwegs trinken mussten. Dennoch, mit voller Kraft zu spielen war eine Frage der Ehre, die Musik klang jetzt aber nicht nur laut, sondern hatte auch eine ziemliche Schräglage.
Das war für ein kindliches Gemüt nicht leicht zu ertragen. Ich weiß noch, dass ich meist zu weinen begann. Als ich ein Kind war, liebte ich keine Musik mehr als die Stille.
Im Lauf des Lebens veränderte sich das, und ich wurde Fan von Rock und Heavy Metal, also von Musik, die aus Lautstärke gebaut ist. Und ich lernte Blasmusik zu lieben, als ich zum ersten Mal im Fernsehen das "Woodstock der Blasmusik" sah – Blasmusik, die mit allen existierenden Stilen kollidiert und dabei reine Freude vermittelt.
Ein Rest der Angst aber blieb: Ich ging nicht gerne in klassische Konzerte, weil dort immer die Gefahr besteht, dass die Bläser heftig zu schmettern beginnen.
Jetzt aber war ich mit meinem besten Freund in einem Beethoven-Konzert, gespielt wurde die Missa solemnis. Beethoven, der ja schlecht bis gar nicht hörte, mochte es laut – aber es tat mir gar nicht weh. Sakrale Musik ist paradoxerweise auch dann still, wenn sie laut ist.
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