Zettel-Traum

Wie unser Leben wieder mehr Ringelspiel wird.

Kürzlich stand ich knapp vor einem internen Kabelbrand. Auf einem Schrägparkplatz war mein Auto von beiden Seiten so zugeparkt, dass nicht einmal ein hamsterhüftiges Supermodel ins Wageninnere vorgedrungen wäre. Sollte ich mich dieser Schmach ausliefern, vor all den kajalmelancholischen Girlies und  Buddhaknopf tragenden Hipsters, die in der Schlange vor dem „Mochi“-Catering standen (und vor allem diskutierten, welche Netflix-Serien so „random“ sind und welche nicht), wie die große Raupe Nimmersatt über die Rückbank ans Volant zu kriechen? No way, José! Während meine Wut Flammen schlug, blieb mein Blick auf einem zerknüllten Zettelchen unter dem Scheibenwischer hängen.

 

Dort stand: „Liebe Golffrau! Sie werden uns hassen, aber es war sonst keiner frei. Kommen Sie auf ein Chill-Getränk zu uns ins Ansari!“ Darunter war ein grünen Schleim speiendes Emoji gekritzelt, der oder die Verfasser(in) hatten meinen Gemütszustand messerscharf prognostiziert. Und mit einem Schlag war mein Zorn in Watte gewickelt. Ich borgte mir aus einem Laden einen Zettel, schrieb in lieber Tradition des Instagram-Idols Dude With A Sign „Nächstenliebe – auch beim Parken!“  (hatte ein bisschen was vom Odeur des katholischen Jungfrauen-Verbands) auf einen Zettel und marschierte so in die angegebene Lokalität. Ein süßes Pärchen, das auf der Angewandten etwas studierte, was meine Eltern mit der Gegenfrage „Und was macht man damit beruflich?“ bedacht hätten, zeigte zerknirscht auf. „Ich gebe eine Runde aus“, sagte ich, „ihr habt mich wehrlos gemacht, ich kann mich beim besten Willen nicht mehr ärgern.“ Während wir uns zum Thema mehr Freundlichkeit für ganz Österreich unterhielten, dachte ich mir, dass wir uns alle das Leben soviel leichter machen könnten, wenn wir uns mehr Zettelchen wohin auch immer stecken würden.
Was Hermann Leopoldi über das Ringelspiel  anmerkte, gilt auch hier: „Es is’ a Hetz und kost’ net vül.“  
pollyadler.at

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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