Boomer-Buddhismus

Was man von den Fortpflänzen lernen könnte

Ich will nicht so leben wie du!“ In dem Moment, als mir der Fortpflanz diesen Satz um die Ohren fetzte, dachte ich, wie viele Milliarden Mal Kinder ihre Eltern mit dieser Erkenntnis torpediert haben. Wahrscheinlich hatte die pubertierende Neander-Susi schon ihre von Mammut-Zerlegearbeiten erschöpften Eltern wissen lassen, dass man sich von Beeren viel bewusster ernähren könne, sie heute mit „He/His“ angeredet werden wolle und das Work-Life-Balance-Konzept der Oldies eine einzige Katastrophe sei. Und dann fange ich gerade noch den Satz mit dem Lasso ein: „Aber mein Geld, das ich mir im Hamsterrad der Erwerbswirtschaft erschuftet habe, nimmst du schon gerne, oder?“

Tatsächlich wurden wir Boomer darauf konditioniert, zu performen und zu funktionieren. Man unterhielt Zweitwohnsitze, wo man am Wochenende einfaches Leben spielte, die Kinder wurden in Elite-Schulen gestopft, man schickte sie später auf hysterische Tralala-Unis und all die Versprechungen auf Glück, das diese Funktionstüchtigkeit mit sich bringen sollte, wollten sich dennoch nicht so richtig einstellen. „Ich definiere mich nicht durch meine Hacke, sondern durch mein Sein“, sagte ein Fortpflanz-Kumpel, der jetzt trotz eines Masters in Schießmichtot in einem Callcenter malochte, weil er als Hobby-Rapper Raum für die Entwicklung seiner Beats brauchte. „Chillen wir doch mehr unsere Leben“, flüsterte das Kind, das gerade vor sich hin „projektelte“, weil dieses „Bubble-Geschäft“ (PR, Werbung, Influenceritis) ihr zunehmend sinnlos erscheint: „Zeit sind die neuen Celine-Taschen.“ Ich werde mich darauf eingrooven“, schließlich bin ich lernoffen.

Also: Konsum-Detoxing volle Kraft voraus! Über meine Verhältnisse habe ich ohnehin schon über Jahrzehnte gelebt, das Konto hat nicht erst seit dem Energiechaos ein Burnout. Krisen eignen sich ohnehin am besten dazu, nichts zu tun. Weil „es is a Hetz und kost nicht viel“ (Hermann Leopoldi). Nennen wir das neue Konzept Boomer-Buddhismus, vielleicht schon bald ein Trend?

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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