Grüße aus dem toxischen Sog
Psychoanalyse an Fönschaum: Warum wir seelisch „voi” dabei sind.
Lauschangriff in einem Frisiersalon, nennen wir ihn „Hairforce“, denn bei der Namensgebung von solchen Trimmstuben sind die Betreiber häufig von Originalitätszwängen geplagt. Während ich mich unter der Wärmelampe in das Blumenmädchen-Drama von H & M in einer Klatsch-Postille einlasse, wo die superpenetrante Sussex-Mischpoche wieder einmal ihr „Schweigen“ gebrochen hat, entfaltet sich zwischen einer Kundin und ihrer Kopfhaar-Managerin folgender Dialog.
„Oisdann hab ich ihn geghostet, weil der Typ war voll auf der Borderline, wenn net glei’ manisch-panisch“, erklärte die freche Kurzhaarfrisur-Trägerin, „und wennst di da net abgrenzen kannst, bist glei dahin, in so an toxischen Sog.“ „Voi, voi“, bestätigte die Frisierende, „i bin da amal in sowas voi drin g’hängt, der war a solcher Narziss und durch mei Vater-G’schicht hab i mi glei in die Opfer-Rolle eineg’lahnt, aber nach an voi feschen Psychodrama-Seminar hab i mi voi guart abgrenzen g’lernt. Und jetzt hab i vor allem a Beziehung zu mir sölba.“ – „Daddy-Issues, des kenn i guart. Und, wie laft's zwischen dir und dir?“ – „Recht geschmeidig, weil auf Respekt und Augenhöhe.“
Sie kicherten nicht ohne Stolz über ihre Scharfblicke. Angesichts dieser Do-it-yourself-Psychoanalyse an Föhnschaum stellte ich mir die Frage: Hätte es Herrn Freud eigentlich gefreut, dass die seelische Autoinspektion inzwischen im Mainstream angekommen ist und wir alle gerne mit Fachvokabular wie mit Konfetti um uns werfen und so tun, als ob wir den kleinen Humboldt in Hobbypsychiatrie absolviert haben? Wahrscheinlich hätte es ihn mehr amüsiert, denn Gerüchten zu Folge pflegte er sich von überambitionierten Selbstanalysen seiner Kollegen so abzugrenzen: „Bevor du dir selbst Depression oder einen Minderwertigkeitskomplex diagnostizierst, stelle sicher, dass du nicht einfach nur von Arschlöchern umgeben bist.“
Pollys Valentins-Spezial am 14. Februar um 20 Uhr im Rabenhof. Mit Petra Morzé & Sona
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