Herr Kafka hustet gelassen

Wie man lernt, seinen Ärger-Nerv auf Durchzug zu stellen.

Die Sozialversicherungsanstalt SVS feiert wahrscheinlich schon Kafkas Megajubiläum (100. Todestag 2024) vor. Zumindest fühlt man sich nach Kafkanien versetzt, wenn man mit diesem Etablissement zu tun hat. Zermürbungsgrad dunkelrot. Die „Berater“ beschießen einen in einem Tonfall, den genervte Lehrer für verhaltensrabiate Schüler mobilisieren, mit Phrasen wie: „Da müssen Sie jetzt einmal einen Antrag stellen, der dann von uns bearbeitet wird.“ Ich bekomme drei Wochen später eine Postsendung, dass der Antrag von Stelle A nach B noch nicht weitergeleitet wurde. Danke für die Info! Wenn ich doch den Mut mobilisiere, telefonisch Auskunft zu bekommen, gibt es (nach 11 Minuten in der Warteschleife) ein lapidares: „Moment, da muss ich Sie in eine andere Abteilung verbinden.“ Effizienzknackig gestaltet sich nur das Beitragseinhebungsverfahren dieser Institution.

Ich musste an eine „Liebesg’schichten“-Kandidatin denken, die ihre Partner-Präferenz für Beamte so begründete: „Schön san S’ meistens net, aber dafür ausg’schlafen.“ Herr Tschechow meinte einmal, dass es nicht die Krisen sind, die unsere Nerven zerknittern, sondern viel mehr „der Alltag“. I hear you, bro. Während ich diese Zeilen schreibe, macht sich ein Installateur an meinem Boiler zu schaffen – nicht ohne dass er mich zuvor wie einen teilalphabetisierten, menschlichen Trostpreis gerügt hat, dass ich mein Serviceintervall überzogen habe.

Davor will er einen „red carpet“ von Respekt und Dankbarkeit, indem er mehrfach betont, was ich für ein Super-Mazel habe, dass er überhaupt da sei – zu einem Stundensatz von einem Harvard-Absolventen wohl gemerkt. Fazit: Man muss trainieren, den Ärger-Nerv auf Durchzug zu stellen. Zum Schutz des eigenen Mojos. Hilfe kommt von Herrn Kafka, der, in einem Brief aus der Lungenheilanstalt zu Gelassenheit aufrief: „Wenn man mitten in einem Hustenanfall steckt, kann man nicht anders, als es äußerst wichtig zu nehmen. Wenn er aber nachgelassen hat, kann man anders und soll es ...“

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

Kommentare