Der Sperling in Loungewear

Wohin ein Toxiker-Burnout führen kann.

D ist jetzt mit einem Förster liiert, ein schmales Männchen mit aschenbecherdicken Brillen und Heinz-Prüller-Frisur, der gerne Waidwerk-Schnurren und Referate über Borkenkäfer und Fährtenschweiß-Konzentrate zum Besten gibt. Wir fassten ihr Glück nicht, schließlich hatte unsere Freundin bislang ein Dauerabo auf Exzentriker im Künstlermilieu  – von einem Synchronsprecher für dänische Pornofilme bis zu einem fahrenden Zauberer namens Tricky Dicky war da nahezu alles drinnen. Jetzt kriecht sie um vier Uhr morgens auf die Pirsch und gibt Sätze wie „Er erdet mich total“ von sich. Wir alle hofften, dass es sich bloß um ein „Situationship“ handelt, wie man neuerdings ein loses Miteinander bezeichnet, doch D spricht schon per „Wir“ über sich und den Waldschrat. Ich meldete dann doch Erklärungsnotstand an, denn ich wollte diese Idylle gerne verstehen.

Sie sagte: „Ich habe diese Maybe-maybe-not-Typen einfach satt und ein totales Toxiker-Burnout. Der Hansi hat eine gewisse Bildungsferne, ok, aber er trägt mich auf Händen. Er schraubt Ikea-Möbel zusammen wie nix. Bei ihm fehlt nie eine Schraube. Er sagt oft: G’schamster Diener oder zu Befehl, Gnädigste. Er weiß, er müsste einfach jeden Tag Bäume umarmen gehen, weil er den Gipfel der Zweisamkeit mit mir erklommen hat. Er ist ja nicht blind, er hat nur acht Dioptrien.“ Dann kichert sie. Spurenelemente von Schmäh sind also noch vorhanden. Ich erinnerte mich an einen Sager von Kate Winslet, die auch für ihr Leben gern heiratete, nach einem Scheidungscrash: „Ich möchte in Zukunft einfach nur  nach Typen verrückt sein, nach denen ich nicht verrückt bin.“ 

Vielleicht waren wir einfach die letzten hundert Jahre auf einem emotional hochtourigen Irrweg und haben zu sehr nach dem bluffenden Tauberich auf dem Dach gegurrt, als den Sperling in Loungewear, der das Holz aus dem Baumarkt holt, wertzuschätzen.  Das Leben, ein einziger Friedhof verpasster Gelegenheiten!
pollyadler.at, [email protected]


Pollys Valentins-Spezial am 14. Februar um 20 Uhr im Rabenhof. Mit Petra Morzé & Sona 

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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