Runter von der Spaßbremse!

Warum dieser Gesundheitskult die Seelen verknöchert.

Der Sohn einer Freundin hatte anlässlich des Geburtstags seiner Mutter eine Party geschmissen, auf der sich die Tische in Großzügigkeit und Opulenz nur so bogen. Es regnete Champagner, soviel man wollte, und die Sause endete auf dem Dancefloor der „Eden“. Wie herrlich, dachte ich mir, als ich gen Morgengrauen, die High Heels in der Hand, in die Leopoldstadt watschelte, und gleichzeitig wusste: Morgen wird man angesichts der Ruine von einem Gesicht seinem Spiegelbild entgegenbrüllen: „Entspann dich, Teuerste! Der gestrige Rausch ist diesen Kater allemal wert gewesen.“ Man braucht solche Nächte und natürlich danach auch immer länger, um sich davon zu erholen. Manchmal macht man sich echte Sorgen um die Jugend von heute, nämlich weil sie möglicherweise mit dem Bleifuß auf der Spaßbremse steht.

Ständig ist sie beschäftigt mit ihrem Muskelwachstum, Waschbrett-Toning sowie den entsprechenden Inszenierungen der Körper- und Gesichtsoptimierung (bei Letzterem pendeln sich die Girls irgendwo zwischen Alien und Bambi ein) auf Instagram, dem Konsum von Proteinshakes, dem Unverträglichkeiten-Austausch, der ambitionierten Gestaltung veganer Ernährung. Ein verknöcherter Gesundheitskult ist  inzwischen zu einer Art Ersatzreligion geworden. Als Anti-Vernunftsmedizin sei die Lektüre aller Texte des Ehepaars Zelda und F. Scott Fitzgerald empfohlen.

Sie sagte: „Ich würde es einfach nur verabscheuen, ein Leben zu führen, das knausrig und farblos ist.“ Und Scott seufzte in abgeklärter Zufriedenheit vor dem tragischen Ende seiner kurzen Tage: „Der Pokal ist zwar zerbrochen, aber er war wenigstens aus Gold.“ Meine Freundin M, eine elegante Aristokratin mit krachendem Konto, murrt gerne nach teueren Auszuckern von Lebensfreude: „Sechsspännig ins Armenhaus!“ Der Fortpflanz und ich haben nach getätigten Verschwendungseskapaden aller Art eine etwas bodenständigere Variante, um uns zu trösten. Sie lautet lapidar: „Weil’s a scho wurscht ist.“

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

Kommentare