Chaos de luxe Kolumne: "Polly, bist du’s?”

Wie man mit Eröffnungsfragen von rauem Charme umgeht.

Die von mir verehrte Nora Ephron, die neben ihrer  Hollywood-Karriere auch vor Selbstironie dampfende Lebensbetrachtungen schrieb, gab uns den Rat, nie im Stadium der Nachlässigkeit das Haus zu verlassen. Denn man male sich nur aus, dass man im Supermarkt einen unter Schmerzen ausgebüchsten Ex begegne und dann als "Lounge Wear”-Ruine (die elegante Umschreibung für ein Outfit zwischen Pyjama und Gartenarbeits-Klamotten) „einen Hechtsprung” veranstalten müsse, um sich hinter einer Konserven-Pyramide zu verstecken. Ich hatte ihr leider nicht gefolgt und so erspähte ich jetzt in einem solchen Styling-Desaster einen  Ex-Sargnagel im Saucen-Sektor, um den drei Kleinkinder wuselten. Es war zu spät, um zu hechten. "Polly, bist du’s?” Auch eine Eröffnungsfrage von rauem Charme, aber schließlich verdrängt man manchmal, dass man gewichtstechnisch in die festen Jahre gekommen ist und das Leben einem durch’s Gesicht pflügte.

Die alten Männer, denen man neuerdings begegnet, besitzen bedauerlicherweise  oft einen ähnlichen Jahrgang wie man selbst. Um meinen devastierten Look zu begründen, merkte ich nur an: "Mein Wohnhaus wurde gerade wegen einer Gasexplosion zwangsevakuiert, normalerweise...ach, egal.. Sind das alles deine Enkelkinder?” Einer aus dem Rudel hatte sich gerade auf den Boden geworfen, um auf Feuersirenen-Niveau kund zu tun, dass er ohne Verzögerungstoleranz "Schokis” wolle. "Nein, nein, ich habe noch einmal geheiratet, meine dritte Frau macht gerade eine Feldenkrais-Ausbildung. Bei uns Männern ist ja alles viel länger möglich...” – "Das Leben ist ja so ungerecht”, zwitscherte ich , "ich könnte mir eigentlich nichts Schöneres vorstellen, als wieder Fischstäbchen zu braten, Uno zu spielen und mich in Eiskönigs Elsas Abenteuer zu stürzen. Genieß es!” Und denk einfach nicht daran, fügte ich im Geiste hinzu, dass du bestenfalls im Rollator zu etwaigen Sponsionen düsen wirst müssen. Diese Art von Ungerechtigkeit ließ ich mir gern gefallen.

 

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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