Polly Adler Kolumne: "Momentan alle sehr psychisch"

Das Wundermittel gegen den Nebel unterdrückter Aggressionen.

Es gibt nur zwei Sorten von Taxlern: Die eleganten Schweiger (meistens mit Migrationshintergrund) und die mit verbalem Dünnpfiff (in der Regel Wiener). Für das zweite Genre braucht man Kraft, denn oft verfügen dessen Repräsentanten auch über geopolitische Analyse-Ambitionen. Bloß nicht den Ukraine-Krieg streifen, denn dann kommt sowas wie: „Er, der Russ’, lasst sie net gern am Kopf scheißen.“

Unvergessen jene Perle, die mir ein Steuermann anlässlich des Golfkriegs über den damaligen US-General Norman Schwarzkopf schenkte: „I sag Ihnen ans: Der Schwarzkopf is für die Haar’.“ Der Wiener Taxler, der Navigationshilfen für Warmduscher-Krücken hält und bei Orientierungsschwäche gerne schon einmal ein paar Ehrenrunden einlegt („I bin anfach zu stolz für des Klumpert“) tendiert auch zu regionalem Rassismus: „Schauen S’ des Oarschloch da vorne, na eh klar, a Mödlinger, die können alle net autofahren.“ Die schüchterne Frage, worauf sich die Erkenntnis über die Mödlinger Chauffierdefizite stütze, wird mit einem lapidaren „Des is anfach so ...“ abgeschmettert.

Da wir alle noch immer am Pandemie-Hangover leiden und „2D sind“, wie mir die Klofrau des Burgtheaters kürzlich erklärte (die Abkürzung steht für deppert und deprimiert), versuche ich, alle meine Empathie-Reserven zusammenzukratzen. Denn die Zauberformel heißt: Interesse am Gegenüber. Ich sammle jetzt also Lebensgeschichten, parfümiere alle, egal ob Bäcker oder Taxler, mit Lob ein ( „Ihre Salzstangerln gehören auf die Liste der Gottesbeweise“ oder „So chello war ich noch nie wo“), streichle die hässlichsten Hunde („Na, ein ganz ein Lieber is des“) und werfe mürrischen Babys Luftküsschen zu. Und tatsächlich: Der Nebel unterdrückter Aggressionen lichtet sich zunehmend. Nach der Deponie seines Scheidungsdramas stöhnte kürzlich ein Taxler erleichtert mit den Worten auf: „Na, des hat mir jetzt guart tan ... Weil momentan sind wir ja alle sehr psychisch.“ Und wie!

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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