Polly Adler: "Lärmendes Schweigen”
Emotionale Schutthalden in der Familie
"Mit der bin ich fertig...” "Mir geht es definitiv besser ohne den...”, "Die sind für mich gestorben.”.. "Wir haben den Point of no Return erreicht...” Ich startete aus purem Interesse an den Wirrnissen innerhalb der Menschheit eine Umfrage zum Tabuthema Kontaktabbruch innerhalb der Blutsverwandtschaft. Mit erstaunlichen Ergebnissen. Und finde Mütter, die seit Jahren nichts mehr von ihren Töchtern gehört haben; Schwestern oder Brüder, die im Staffellauf zum Elternbesuch antreten, weil sie beim gegenseitigen Anblick eine mentale Fischvergiftung entwickeln würden. Großeltern die ihre Geburtstagsgeschenkpakete unausgepackt und kommentarlos zurück geschickt bekommen.
Ausnahmeerscheinung: Mütter und Söhne. Letztere kriegen für jede Form von Manieren-Ausrutscher von den Muttis gerne einen Freifahrtschein: "Du musst ein bisschen Rücksicht nehmen, sein Wellensittich hat schon seit drei Wochen Bronchitis!” Ansonsten ist unten Dauerbeleidigten ist ein hoher Frauenanteil auszumachen. Männer dürften mit Hass und Antipathie pragmatischer umgehen können. Und einfach ein größeres Talent für emotionale Belanglosigkeit entwickeln, als wir Gefühlsgebeuteltierchen in der Damenabteilung.
Ok, mit gewissen Nachbarschaften bin ich auch durchaus in der Lage ein hohes Energiepotenzial in der Disziplin Nicht-einmal-Ignorieren zu mobisieren, aber innerhalb der Familie? Natürlich kann Familie auch laut, anstrengend, ungerecht, manchmal auch kränkend und umständlich sein, aber noch viel schrecklicher wäre doch, wenn niemand mehr da ist, über den man sich aufregen kann. Und wenn dann plötzlich einer oder eine für immer abgereist ist, stehtdie eigene Seele schief. Und man realisiert erst dann, wie oberlässig man mit scheinbaren Selbstverständlichkeiten jongliert hat. Also werte Kontaktabbrecher:innen, geschätzte Repräsentantinnen der Gnadenlosigkeit! Es wird Frühling, üben wir uns doch einmal alle im Freigegenstand über den Schatten springen. Es könnte weh tun, muss aber nicht.
"Knietief im Glamour”: am 24. März um 11 Uhr, Sigrid Hauser, Petra Morzé
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