Chaos de luxe Kolumne: Ein Sexgott im Ruhestand
Eine Lebensschulung mit David Beckham
Mich lässt Fußball eigentlich so kalt wie Musicals oder Clowns, aber die Netflix-Serie „Beckham” machte wirklich süchtig. Während ich die Beckhams (Posh Spice zog das Los) früher, was ihr Erscheinungsbild betraf, in die Kategorie „Besser neureich als nie reich” einordnete und mit einer von Neid unterfütterten Arroganz auf dieses oft von der Geschmacksfee verwunschene Powerpaar blickte, verlangt die alles andere als glatt verlaufene Biografie dieses Arbeiterkinds mit dem goldenen rechten Fuß einem Respekt ab.
Der als Lichtgestalt gefeierte Beckham, damals 23, wurde nämlich , nachdem er bei einem später verlorene WM-Finale gegen Argentinien die rote Karte bekommen hatte, von ganz England gemobbt und teilweise sogar auf der Straße bespuckt. Und zwar nicht nur über ein paar Wochen, sondern über Jahre. Tatsächlich watete der Mann nach stratosphärischen Triumphen immer wieder durch Tränentäler und verletzungsbedingte Katastrophengebiete. "Aber ich blieb immer dran”, erzählt er mit Melancholie im Blick der Kamera, "ich bin kein Typ, der aufgibt.”
Der Trick, immer weiter zu machen, bestand einfach darin, die Widrigkeiten der Umstände nicht persönlich zu nehmen. Und ungerechte Trainer und herzlose Vereinspräsidenten auszuklammern. Jede Niederlage hatte einen konstruktiven Jetzt-erst-Recht-Adrenalinschub zur Folge. Sollte man sich in der To-do-Liste an oberster Stelle eintragen. Irgendwann gab sein Körper auf und er ging tränenüberströmt vom Spielfeld. Das Timing trotz emotionaler Absturzgefahr, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, schaffen wenige. Heute trägt Beckham Strickjacken, gönnte sich eine Haartransplantation und steht samstags immer von morgens bis abends Würstchen bratend in einem Grillhäuschen auf seinem Anwesen. Entspannt und zufrieden mit den kleinen Banalitäten des Lebens: ein Sexgott im Ruhestand. Und er hatte sogar die Charakterstärke, sich dabei filmen zu lassen. Das nenn ich untypische Männlichkeit.
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