Polly Adlers Kolumne: "Suche dringend Freunde!"

Warum manchen Menschen sozial so talentlos sind.

"Uii, jetzt hab ich aber viel geredet“, sagte meine Gesprächspartnerin nach einem durchaus interessanten Monolog, "das kommt davon, wenn man alleine lebt". Als eine Langstrecken-Alleinleberin war ich Expertin auf diesem Gebiet und schlug ihr das Selbstgespräch als Überbrückung zwischen sozialer Askese und Zivilisation vor. Oder die Anschaffung eines Haustiers.

Menschen aller Altersklassen tendieren mit ihren Haustieren wie mit geistig retardierten Lebenspartnern zu gurren: "Na, haben wir schon ein Hüngerli, jetzt gehen wir aber gleich Gassi, wir zwei ... brrr, ist aber schon schön frisch." 

Im besten Fall passiert diese Art von Gaumenzäpfchengymnastik im weitgehend unbebautem Gebiet, aber natürlich kann so ein befelltes Gegenüber bei manchen die Laune bei klammen Einsamkeitsgefühlen hochjazzen. 

In Großbritannien wurde schon ein Ministerium zur Bekämpfung von Einsamkeit ins Leben gerufen. In Berlin, der Single-Metropole schlechthin, hängen an den Bäumen SOS-Zettel mit "Suche dringend Freunde!" 

Die Talentlosigkeit, die manche im Erhalt von Freundschaften besitzen, wächst. Was auch damit zusammenhängt, dass die direkte Kommunikation verkümmert und man sich oftmals über Wochen nur mit dürren Whatsapp-Nachrichten warm zu halten versucht. Und irgendwann versickert das Bächlein des Interesses auf beiden Seiten. 

In Folge ballern dann die Selbstvorwürfe los: Hätte ich nur ... Ein Telefonat ohne triftigen Grund, also nichts anderes als ein Befindlichkeits-Checkup, bugsiert beide sofort in eine ganz andere emotionale Dimension. 

Das Kürprogramm ist, alleine mit sich selbst, nicht einsam zu sein. Läuft in den Tussi-Postillen inzwischen unter #metime

Da ist von Zehen-in-bunten-Farben-Lackieren oder meditativem Sticken bis zur Erstbesteigung von Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" alles drinnen. Hauptsache im digitalen Off. Und ganz ohne FOMO (GenZ-Pathologie, die für "fear of missing out" steht). 

Die Polly-Show "Knietief im Glamour" am 6. Oktober, um 11 Uhr im Rabenhof

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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