Polly Adlers Kolumne: "Jürgi, spür in dich hinein!"

"Weißt du, was ich mich am Strand immer frage?" – "Sag, Liebes!" – "Ich frage mich, wann ist es wieder Zeit, sich einzuschmieren? Gibt es da Richtlinien?" – "Nun, ja, Jürgi, da musst du einfach in dich hineinspüren." Jürgen spürte in sich hinein und ortete Nachholbedarf. Vorwurfstriefender Blick nach seinem zweiten Gang zur Bar. "Schon wieder ein kühles Bierchen." – "Hey, Heike, ich bin im Urlaub." – "Eigentlich nicht, wir fahren doch schon nach Hause." –  "Ansichtssache." Schweigen.

Und dann schießen die "Immer musst du"-Sätze im Sekundentakt. Das Pärchen sieht ansonsten blass, nach gemeinsamen Hobbys wie Mountainbiken und Schmuserock sowie langen Studienjahren im technischen Bereich aus. Ich habe in der letzten Zeit viele Stunden auf Flughäfen erschlagen müssen und machte mir bei dünnem Kaffeegebräu um 6,50 das Späßchen, Paare zu belauschen. Es ist nicht immer lustig Single zu sein, aber bei der bloßen Vorstellung, in so einem Jürgi-Griff zappeln zu müssen: Launenkentern. Meine empirische Bilanz nach all dem Audiyeurismus: vor allem reden Paare über Essen. 

Wo die Pizza "leckerer" (Lieblingshassadjektiv) war als in Duisburg beim Stamm-"Giovanni", wie sich "das Preis-Leistungsverhältnis" generell angelassen hatte und wann daheim der gute Mann für das Heizboilerservice zu bestellen sei. Feuriges Dialog-Pingpong fand bei meiner Recherche eher auf den sehr hinteren Rängen statt. Ist wahrscheinlich auch schwierig, wenn man jemand anderen dauernd an der Backe hat, kein Witz-Burnout zu kriegen.

"Da braucht es eben ein wenig Algenhumor", meinte mein Kollege G, der eben etwas familiengeschlaucht von einem Adria-Urlaub zurück gekehrt war, und sein Balkonien noch nie so herzerfrischend fand wie nach zwei Wochen Caorle an braungrauer Algenbrühe. Auch wenn die Frau Sedlacek im unteren Stock nonstop nach dem "Burlibär", ihrem entlaufenen Kater, schreit, der wahrscheinlich auch ein bisschen Me-Time dringend nötig hatte. Wir verstehen ihn.