Polly Adler Kolumne: Das Pfeffer-Asyl
Wenn der Herr des Herzens plötzlich zum Wisch-Mobster mutiert
"Es gibt Pfeffer-Kriege und ich brauche Asyl", hatte mir K eine Sprachnachricht in einer von schwarzen Wolken verhangenen Stimme hinterlassen. Als sie eintrudelte, hatte sie sogar einen Riesenkoffer mit dem "Nötigsten" dabei.
Ich lebte ohnehin in einer viel zu großen Wohnung, die ich mir eigentlich nicht mehr leisten konnte, und fand an dem Konzept einer offenen WG zunehmend Gefallen. Die Ereignischronik, die im Pfeffer-Asyl eskaliert war: K hatte ihren ehernen Grundsatz gebrochen, nie, aber wirklich nie mit einem Mann zusammenzuziehen, noch dazu in bereits von ihm markierten Territorium, sprich in seine Wohnung. Zwei Gründe hatten sie zu dem Schritt bewogen: Ökonomie und Müdigkeit.
Zu lange war sie jenem Syndrom bei ihrer Männerwahl erlegen, das meine Tochter als die "völlig verblödete Romantisierung von Narzissten" bezeichnete ("Ein echtes Problem deiner Generation, Mama!"). Jetzt hatte K einen mountainbikenden Normalo, etwas langweilig, aber total stabil (so dachte sie), der aber im Zuge des gemeinsamen Wohnens seine an Pathologie grenzende Nerdigkeit offenbarte.
"Er drehte durch, als ich die Reste meines alten Pfeffers in sein frisch gefülltes Pfeffer-Fässchen staubte. Ich sei unsensibel, bar jeder Empathie für seine Bedürfnisse. Und jedes Mal, wenn ich im Bad war, tanzt er laut schweigend mit einem Wischmob dort an. So unsexy!"
"Eine neue Form des Mobsters", kicherte ich und bezog ihr das Bett. Ich hatte nie auf Gedeih und Verderben mit einem Mann zusammen gelebt, sondern immer eine kleine Rettungsboot-Garconniere in petto gehabt, war also als Ratgeberin völlig ungeeignet. Aber dass der Zusammenzug nicht für alle Paare ins gleißende Glück führt, weiß man spätestens seit der Lektüre von Tolstois "Anna Karenina", wo sich Wronski in dem Moment, wo Anna ihm ihre Existenz zu Füßen legte, darüber beklagte, dass ihm die "Sehnsucht” abhandengekommen war. Aber wenigstens war der kein Wischmob-Neurotiker.
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