Polly Adler Kolumne: Bunt bleiben!

"Ich war bei den bunten Menschen“, sagte meine kleine Nichte, „dort war es schön. Ich will mehr bunte Menschen.“ Die Familie meines Bruders hatte einen Ausflug zur Regenbogenparade unternommen. Tatsächlich gibt es, nach welcher sexuellen Ausrichtung auch immer, viel zu wenig bunte Menschen.

Es ist alles so verflucht „normativ“, um eines dieser sperrigen Adjektive zu bemühen, die die wachsam Woken gerne ins Diskussionsfeuer werfen, also alles sehr beige und sehr vernünftig. Die jungen Menschen rennen ständig wie Schlachten-Boten im antiken Griechenland in pothässlicher Activewear hin und her, um sich fit zu halten; sie behandeln einen wie Schwerverbrecher, wenn man noch Kuhmilch trinkt („-Ausstoß durch Kuhfürze, hallo?!“), erfinden hunderte Rezepte mit Roten Rüben (Wer hat dieses Gemüse eigentlich wieder aus der Mottenkiste geholt?) und machen auch die simpelste Sache der Welt zu einem Kampfsport. Ja, beginnt auch mit „sch“, aber diesmal meine ich schlafen. Ich bin dem Himmel sei Dank genetisch durch meine Verwandtschaft mit Pinzgauer Bergbauern vorbelastet, die nach des Tages Müh wahrscheinlich unter den frisch gerollten Heuballen in den Tiefschlaf sackten und weder die Hilfe von Schäfchenzählen, harten Psychopharmaka oder Rotwein-Eimerchen für ihre Regeneration bemühen mussten, um am folgenden Tag mit einem passablen „Sleepscore“ aufzuwachen.

Den kriegen Sie übrigens dann, wenn Sie eine entsprechende Sleep-App unter den Polster legen, die exakt ihre Einschlaf- und Aufwach-Phasen vermisst. Haut am besten hin, wenn man in Performance-Sleepwear pennt, die optimales „Feuchtigkeitsmanagement“ garantiert. Wenn Sie größeren Wert auf Ihr Spaßmanagement legen und doch lieber ins Team der Bunten wollen, werfen Sie all diese Apps aus dem Fenster. Denn schon Immanuel Kant hatte 1784 die Warnung ausgegeben: „Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“