
Polly Adlers Kolumne: Frühlingsstress
Schluss mit digitalem Dating, raus ins Leben.
Meine Vorstellung für die Zwischenstufe vor der ewigen Verdammnis: Mit einem mir bis dato unbekannten, übersichtlich Kopfbehaarten beim Griechen eine Poseidonplatte zu mümmeln und dabei über Musik und Ex-Dramen zu plaudern.
Und der Typ ist dann vielleicht noch ein Taylor-Swift-Opfer ("Tolle Beine") und geht regelmäßig in eine Kletterhalle.
So random, würde das Kind sagen. Hinter jeder dieser Pseudo-Fassaden der Harmlosigkeit einer ersten Begegnung mit einem Online-Date verbergen sich natürlich Abgründe von Checklisten, die jeweils abgearbeitet werden.
Da rattert es: Wie mühsam ist die? Hat er da vorhin nicht was von einer Frau gesagt? Muss ich die Rechnung voll pecken – nein! – sie hat doch behauptet, sie sei Feministin?
Wenn er jetzt den Oktopus postet mit der Unterzeile "Man gönnt sich ja sonst nichts ..." setze ich die Blaulicht-Mütze auf! Klapp dein Besteck zusammen, wenn du fertig bist, du Pülcher! Genau wegen solcher Horrorfantasmen habe ich nie online gefischt.
Die Youngsters aber tun seit ihrer Geschlechtsreife nahezu nichts anderes. Die Magie eines ersten Blickkontakts auf einer Party, diese 30-Sekunden-Wahrheit, die laut Liebesforscher die Zündung für alles Weitere setzt, einfach ausgehebelt.
Und jetzt setzt bei den Armen das volle Bumble-Burnout und Tinder-Trauma ein. "Ich bin nichts als ein Produkt, ein f**ing Produkt", seufzt die kleine Lily, während sie in einem letzten Aufbäumen auf einer Balz-App ein "Swipie" macht, "in einem seelenlosen Fleischmarkt. Been there, done that! Ich bin emotional schon total taub von der Perlenreihe an Frustrationen".
"Es gibt eine Lösung", tröstete ich sie, "geh wieder raus ins analoge Leben! Triff dich mit Menschen. Hör auf, müde zu sein. Müde? Wovon eigentlich? Es ist Frühling! Und dem schuldest du was!"
"Frühling also", seufzte sie, "jetzt macht mir der wieder solchen Stress." Die Jugend war auch schon einmal jünger.
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