Fasching für immer!

Was wir von Adorno und Installateuren lernen können.

Kürzlich hatte ich das Glück, eine Veranstaltung mit der britischen Schriftstellerin Bernardine Evaristo moderieren zu dürfen.  Als erste schwarze Frau ist sie Booker-Preisträgerin, Präsidentin der königlichen Gesellschaft für Literatur; die Liste ihrer Preise und Titel ist einen halben Meter lang. Wie immer bestätigt sich meine These im Umgang mit Superpromis: Nur das Mittelmaß ist mühsam. Die, die im Olymp Platz genommen haben, sind meistens reizend. In ihrem neuen Roman „Mr. Loverman“ geht es um einen 70plus-Typen (Familienvater, erfolgreicher Geschäftsmann), der sein Leben lieber in die Luft sprengt, als dass er in dieser fortgeschrittenen Lebensreife sein Coming-out macht.

Seit einem halben Jahrhundert liebt dieser verwitterte Dandy heimlich, aber umso intensiver seinen alten Kumpel aus Antigua. Absurderweise sind mir eben ähnliche Storys aus dem Echtleben zugetragen worden. Die Bekannte einer Freundin entdeckte im Keller zwei Schachteln mit Glitzerfummeln und Federboas, die ihr ansonsten so langweiliger Gatte in ihrer Abwesenheit anprobierte. Sie entließ ihn mit den Worten „Ab jetzt Fasching für immer!“ in die Freiheit. In einer Hernalser Elektrohändlerdynastie stand der frisch pensionierte Papa an einem Sonntag vom Mittagstisch auf und erklärte seiner Familie: „Es war schön mit euch, aber es war! Ich habe mich in den Pizzabäcker aus der La vita è bella verliebt.“

Die roten Flaggen hatten schon geweht, als er vor einigen Monaten einen Ballettkurs zu besuchen begann und ständig in die Oper rannte. Die Erkenntnis aus der Geschichte: Man sollte früher damit aufhören, „später einmal“ zu sagen. Untermauert von dem berühmtesten Satz des Herrn Adorno: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Mein serbischer Installateur, ein Alltagsphilosoph allererster Güte, formulierte es so: „Bittaschen, Gnädige, es ist jetza alles normal, was nicht normal ist.“ Er bezog sich damit, auf die Preisentwicklung des Materials, gilt aber eigentlich für „eh“ alles.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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