Polly Adler: "Die Emilie soll kommen!”
Über die Magie von Briefen und letzte Worte.
Ich liebe Wien. Wenn mir eine Fee London, Paris oder New York als möglichen Wohnort servierte, sie würde sich einen naßkalten Korb holen. Meine Wien-Liebe explodierte nahezu, als ich an einem Postkasten vorbei ging, in dem in exquisit gepflegter Schrift zu lesen stand: „Liebe digitale Vollidioten! Schreibt euch endlich wieder Briefe. Niemand wird eure dürren What’sApp-Nachrichten in hundert Jahren auf einem Dachboden finden.“ Die Schutzperson analoger Kulturtechniken sprach mir aus der Seele. Später bekam ich das Geschenk im Zuge meiner Recherchen über das lang verschollene Wunderwerk, vor dem Klimt-Gemälde „Porträt Fräulein Lieser“ sitzen zu dürfen.
Achtstern-Wienliebe. Das Fräulein schickte mir magische Blicke aus seinen wachsamen grünbraunen Augen, sie sollte noch rechtzeitig vor den Nazis fliehen können. Ihre Mutter Henriette wurde im Winter 1941 nach Riga deportiert. Möglicherweise hatte ihr das Klimt-Gemälde noch drei Jahre Überleben in Angst in Wien geschenkt. In Brief-Schätzen, die von zwei passionierten Lebensarchäologinnen aufgespürt worden waren, konnte ich das Lebensgefühl der Lieser-Damen nachatmen. Der Blumenmantel des Fräuleins auf dem Bild stammte möglicherweise von Emilie Flöge.
Manchmal warf Klimt seinen Porträt-Damen Entwürfe seiner Lebensliebe über. Gustav blieb zeitlebens bei seiner Mutter wohnen. Emilie musste auch damit leben, dass seine jungen Aktmodelle nicht zimperlich sein durften. Aber als er von einem Schlaganfall niedergestreckt worden war, rief er auf seinem Sterbebett: „Die Emilie soll kommen!” Es waren Klimts letzte Worte. Richard Burton bleibt jedoch der Gewinner in meiner Liebe-bis-zum-letzten-Atemzug-Charts. Er rief auf seinem Totenbett „Ich wünschte, die fette Flunder wäre hier” nach Liz Taylor. An seinem Lager wachte seine vierte, sehr schlanke Ehefrau Sally. Männer!
„Knietief im Glamour” am 24.3. um elf Uhr im Wiener Rabenhof.
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