Polly Adler: "Der Krieg ist schon vorbei!"
Warum manche ein Anti-Verschwendungsgen besitzen.
Begräbnis geschafft. Das Kind hat sich vor die Trauergemeinde gestellt und mit fester Stimme unsere Rede verlesen. Ich war kaum jemals so stolz auf sie. Denn meine Mutter und ich heulten bis zur Austrocknung.
Die Trauer ist wie ein großer, schwarzer Hund. Manchmal legt sie sich nieder und tut so, als ob sie einem nichts mehr anhaben kann. Dann ist sie wieder angriffslustig und brüllbellt einem ins Gesicht. Und dann schenkt sie einem wieder komische Momente: Wenn man beim Durchforsten der Familien-Whatsapp-Gruppe nachsehen kann, wie die Tante stolz immer wieder das Lidl-Obst-und-Gemüse-Kistl postete, das sie sich um vier Euro am Samstag beim Rausverkauf geschnappt hatte.
Sie hätte sich von gut geölten Chippendales zu Fanfarenklängen Lastwagenladungen exotischer Früchte zustellen lassen können. Meinen Stehsatz "Nani, der Krieg ist schon vorbei" hat sie mildstrengen Blicks ignoriert, denn Verschwendung war ihr ein Gräuel. Nur für andere war Großzügigkeit ihr zweiter Vorname. Natürlich hatte man mit einem Geburtsjahr 1940 tiefe Spuren in der Seele gefurcht bekommen. Die Erziehung leistete auch ihren Beitrag: Die letzten Worte vor der Abreise meines Apas, ihres Vaters, waren: "Herr Doktor, ich hoffe, Sie können meinen Herzschrittmacher wieder verwenden, wär‘ doch schad drum."
Mein Großvater bekam drei Pensionen und doppelte sich seine Schuhe selbst. Mein Leben war bis jetzt eine Rebellion gegen jede Art von Bescheidenheit. Lange Zeit war ich nahezu nervös, wenn ich auf meinem Konto nicht im Minus war. Die Lust an exzentrischen Leuchtfeuern der Unvernunft habe ich an die Tochter dirittisima weiter gegeben. Demnächst wird der Fortpflanz 30. Sie hat schon einmal im "Sacher" reserviert, wo sie gedenkt mit ihrer besten Freundin zu tafeln. Stehsatz: „Einer muss ja nett zu mir sein.” Die Tante würde die Augen verdrehen und flüstern: "So eine Hutblume!" Und ich müsste ihr ein wenig Recht geben.
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