Polly Adler: „Komm her da, du Schneebrunzer!”

Warum ich dem König von England das Selfie verweigerte.

Haben Sie schon Ihre sorbetfarbenen Fummel aufgeföhnt und schnittige Oma-Hüte vom Dachboden gefischt? Stehen die schwammigen Gurken-Sandwiches bereit? Auf das Krönungsgericht, eine Spinat-Pie, können Sie getrost verzichten. Bloody ghastly!

Angesichts der Hysterie, in die das Krönungsbrimborium eines cholerischen Seniors die ganze Welt stürzt, stelle ich mir die Frage: Was ficht uns das an?

Sind es Voyeurismus, Glamour-Defizite und die Suche nach der tröstlichen Gewissheit, dass die Windsor-Mischpoche mehr Dysfunktionalitäten aufzubieten hat als Schlösser? Nachdem ich eine Woche lang die erheiternden Grausamkeiten britischer Medien studiert hatte, träumte mir, dass ich Charles III. auf seinem Landgut aufsuchte. Ich nannte ihn Herrn Windsor, was natürlich ein totaler Affront war. Das Interview war tränentreibend langweilig, wir stiefelten über Schollen, wo seine „darlings“ aus der Kohl-Familie sprossen, und am Ende fragte er mich in seinem Degenerationsenglisch, ob ich gerne ein Selfie mit ihm hätte.

Ich sagte: „Danke, ganz lieb, aber meine republikanischen Freunde würden mir das nicht verzeihen!“ Und wachte mit einer Geste des Triumphs auf, da ich widerstanden hatte.

Der Selfieismus in Kombination mit Promis aller mehr oder auch weniger großen Bedeutungsklassen ist ja eigentlich eine Pandemie per se. Die verzweifelten Gesichter der erlegten Celebrities auf Instagram signalisieren oft das krasse Gegenteil von dem, was die Selfie-Pirscher beabsichtigen: die Illusion von Vertrautheit und prächtigem Amüsement mit dem Promi zu erzeugen. Einmal spazierte ich mit so einem A-Promi Austriacus durch die Stadt und ein aus dem Ruder gelaufener Fan brüllte: „A Sölfie, a Sölfie mach ma, du Oarschloch! Komm her, du Schneebrunzer, i will a Sölfie.“

Das Selfie-Ansinnen mit Fluchtiraden zu garnieren, war so paradox, dass der A-Promi erheitert konterte: „Geh a bissl scheißen und ja, gerne. Wo darf ich mich positionieren?“

Mamacholie: Das Polly-Adler-Muttertagsspecial im Rabenhof, 14. Mai 11 & 15 Uhr. Mit Petra Morzé & Sona MacDonald

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

Kommentare