In den Harmonie-Topf plumpsen
Wie man Festags-Fettnäpfchen vermeidet
Eigentlich bin ich eine Kochmaus. Dinnerpartys zu schmeißen war mir immer ein Vergnügen. Und um die Weihnachtszeit konnte es nicht genug glitzern. Auf meinen Tischen galt die Old-School-Schauspieler-Regel: „Dezenz ist Schwäche.“ Kleine goldene Hirsche wurden drapiert, dralle Mini-Engelchen verströmten Lebensfreude, kurzum Kitsch, volle Kraft voraus. Inzwischen verursachen mir solche Einladungen bereits im Vorfeld leicht nervliche Zerrüttung. Bei acht Gästen kann man von einem militanten Veganista, ein bis zwei Vegetariern, ebensovielen Zucker-Phobikern und einem Weizer-Allergiker in Kombi mit Kuhmilch-Paranoia ausgehen. Gegen diese Spaßbremsung gibt es aber ein Rezept: Viele kleine Platten auf den Tisch, in Tapas-Manier, wo jeder Essproblematiker fündig werden kann.
Die goldene Regel, um die Konversation weiter perlen zu lassen, keine Debatten à la „Was war eigentlich früher, als die Leute Gluten bestenfalls für eine müde Feuervariante gehalten haben?“ Familientische können leicht zu einem Fettnäpfchen-Parcours mutieren, besonders jetzt, wo Empfindlichkeiten und Befindlichkeiten so offen liegen wie nie. Also fragen Sie bitte keine Langzeit-Kinderlosen „Bastelt’s ihr eigentlich noch?“ Bedrängen Sie keine Ex-Alkoholiker mit „Naja, ein Schluckerl wird dich schon nicht umbringen!“ Fragen Sie keine Studierenden in exotischen Fachbereichen „Kulturanthropologie klingt interessant, aber was macht man damit eigentlich beruflich?“
Verschonen Sie Ihre Fortpflänze mit „Immer rufst du nie an!“-Tiraden. Impfdebatten, Asylfragen, Erbschaft-versus-Schenkung-Diskussionen und der Klimadiskurs (Achtung, Kids, keine Polemiken à la „Hey, ihr Boomer, danke dafür, dass ihr unseren Planeten versaut habt!“) sollten an Festtagstischen großräumig umschifft werden. Weltverbesserung steht dann erst wieder 2023 auf der To-do-Liste. Frohes Gefestel von Ihrer in den Harmonietopf geplumpsten Polly!
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