Muttertag aus Männersicht
Warum man für gewisse Feiertage nicht nur kämpfen, sondern auch nachhaltig erziehen muss
Letztes Jahr hätte der Muttertag beinah dafür gesorgt, dass mein Sohn ohne Vater aufwachsen muss. Die Schwangerschaft hatte die Halbzeit erreicht und endlich fühlte ich mich wieder wie ein Mensch. Ich dachte, dass meine monatelange Übel- und Müdigkeit ausgerechnet kurz vor dem Muttertag abflaute, wäre sicherlich Anlass für meinen Gatten, etwas Besonderes zu planen. Immerhin heißt er Dottore Amore, weil ihm NICHTS zu schnulzig, sulzig oder kitschig ist. Rote Rosen, ein als Liebesengel verkleideter Hund, italienische Schlager in Stadionlautstärke – mein Mann verfolgt hinsichtlich Liebesbeweisen das Credo mehr ist mehr. Egal, ob ich das gut finde oder nicht. Sehr aufgeregt weckte ich ihn dementsprechend am Muttertag auf: „Was machen wir heute?“ Er drehte sich um: „Ausschlafen.“
Ich kitzelte ihn: „Na komm, was hast du für mich geplant?“ Grantig grunzte er: „Wieso soll ich für dich was planen? Du bist ja noch nicht einmal Mutter!“
Weder darf noch soll man seinen Ehemann schlagen. Doch wenn man jemanden nur lang genug namelt, bewegt er sich, als haute ihn eine unsichtbare Hand.
Ich namelte meinen Liebsten also aus dem Bett, namelte ihn ins Bad, namelte ihn durchs Zähneputzen, Rasieren, Anziehen, Kaffeetrinken und erst die Süßwaren, die er von der Tankstelle holte, brachten den Beschwerdeschwall zum Versiegen.
Vor ein paar Tagen fragte er vorsichtig: „Willst du heuer Muttertag feiern?“
Ich fixierte ihn. „Unser Bauxi ist ja noch nicht einmal ein Jahr …“ Ich holte tief Luft. „… außerdem ist doch jeder Tag Muttertag …“ Ich öffnete den Mund. „... aber morgen ist der mutterigste Muttertag. Und natürlich muss man da die Mütter ganz besonders feiern.“
Mütter geben bedingungslose Liebe. Mütter trösten, Mütter hören zu. Mütter erziehen. Und dafür gehören sie gefeiert. Auch wenn sie dazu erst erziehen müssen.
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