Guido Tartarotti

Guidos Kolumne: Mein lieblings Zauberspruch

Ich bin beim Essen bis heute ziemlich einfach geblieben. Meinen Zauberspruch benutze ich jedoch leider nicht mehr.

Als ich ein Kind war, hatte ich einen Zauberspruch, und der ging so: Bitte einen Knödel mit Saft. Ich sagte das mehrmals pro Woche, immer, wenn meine Eltern mit uns essen gingen: Bitte einen Knödel mit Saft. Ich sagte das beim Italiener, beim Griechen, in der Pizzeria, im Wirtshaus und auch im guten Restaurant. Bitte einen Knödel mit Saft. Etwas anderes wollte ich nicht essen.

Meinen Eltern war das natürlich peinlich. Immer, wenn wir bestellten, wollte ich einen Knödel mit Saft. Etwas anderes schmeckte mir nicht. Und überraschenderweise bekam ich ihn immer. In keinem Lokal wurde er mir verweigert. Offenbar hat jedes Restaurant Knödel mit Saft vorbereitet, falls ein etwas mühsames Kind wie ich auftaucht.

Meine Schwester war übrigens ähnlich: Ein ganzes Jahr lang aß sie nur Joghurt. Im Kindergarten, wo sie zu Mittag essen musste, erbrach sie konsequent jeden Tag das Essen. Die Kindergartentanten waren verzweifelt, aber irgendwann gaben sie auf und servierten meiner Schwester ihr Joghurt. Nach einem Jahr hörte sie von einem Tag auf den anderen damit auf und aß normal, als hätte sie nie etwas anderes getan. Warum sie diese Joghurtphase hatte, wurde nie geklärt. Sie hat sich nie dazu geäußert.

Ich esse bis heute gerne Knödel mit Saft, bestelle das jedoch nicht mehr im Lokal, weil es mir peinlich ist. Aber meine Mutter bereitet mir regelmäßig Knödel mit Saft zu, manchmal mit Rotkraut, und ich freue mich darüber. Ich bin beim Essen bis heute ziemlich einfach geblieben. Ich kenne nichts, was mir besser schmeckt, als Hamburger. Auch Käsekrainer mit Senf macht mich sehr glücklich. Koche ich selbst, dann entsteht aus irgendwelchen geheimnisvollen Gründen immer Chili con Carne. 

Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, aber meine Mutter hat gekocht. Natürlich Knödel mit Saft

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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