Vea Kaiser

Vea Kaisers Kolumne: Amouröser Respektabstand

Warum die modernen Kommunikationsmittel die zwischenmenschliche Anbahnung nicht nur leichter machen.

Die erste Runde Heiraten und Kinderkriegen ist in unserem Freundeskreis fast vorbei, und ein Teil beginnt schon mit der zweiten.

Beziehungen werden aufgelöst, Häuser verkauft, Kinder zu Pendlern. Ich musste epische Schlachten um Salatschüsseln erleben, die, genährt von jahrelangen Kränkungen, nur Verlierer hinterließen (und traumatisierte Salatschüsseln). Doch die meisten schaffen es, sich amikal zu trennen, und finden sich nun wieder "im Ring", wie es eine Freundin ausdrückte. 

Sie war erleichtert, sich friedlich getrennt zu haben, aber entsetzt darüber, nun wieder daten zu müssen. 

Ich versuchte mich als Motivationstrainerin: "Der Nervenkitzel vor einer Verabredung, die Möglichkeit, sich Hals über Kopf zu verlieben – wann fühlt man sich lebendiger?" – "Daten ist nicht das, was es mal war", sagte meine Freundin und berichtete darüber, wie schwer es für sie (eine kluge, bildhübsche Frau) war, Männer außerhalb von Dating Apps kennenzulernen.

"Viele Männer halten heute Respektabstand." Der erste Mann, der nach der Trennung ihr Herz rührte, war ein Nachbar. Meine Freundin klagte: "Der hielt so viel Respektabstand, dass er mich nie anrief oder mir schrieb, sondern fünfminütige Sprachnachrichten schickte!"

Sie ließ mich probehören, bis ich vor lauter äääääh ja und genaugenommen wollt ich gerade sagen, ääääh nicht mehr konnte. 

Ich verstand, dass ein Mann, der sich vor allem als ewig-labernde und dabei rein gar nichts sagende Stimme präsentiert, die Libido in den Keller jagt. "Noch dazu will der polyamourös leben und schickte mir die Nachrichten aus dem Bett einer anderen, während die Kaffee machen war."

Als sie mir dann erklärte, wie er das als "respektvollen Abstand" etikettierte, um so keine der involvierten Damen mit seinem Nähebedürfnis zu bedrängen, gab ich 
auf und zu: "Ich bin froh, glücklich verheiratet zu sein."

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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