Vea Kaisers Kolumne: Späßchen und Schrecken
Warum Serienmördergeschichten für ein entspanntes Zehennägellackieren sorgen und Satiriker die Arbeitslosigkeit fürchten
Früher schrieb ich jedes Halloween eine Gruselgeschichte. Ich hörte damit auf, als die Nachrichten über Geschehenes so schrecklich wurden, dass mir nichts erschreckendes Erfundenes mehr einfiel. Mit der Zunahme weltweiter Schauderlichkeiten erkläre ich mir übrigens, warum sich meine Freundinnen beim Zehennägel-Lackieren Podcasts darüber anhören, wie ein Serienmörder seine Opfer zerstückelt. Etwas Schrecklichem ins Auge zu schauen, nimmt ihm meist den Schrecken. Dennoch hoffe ich, dass uns am Dienstag erspart wird, weiterhin Herrn Trumps Antlitz sehen zu müssen.
Nicht nur den Autorinnen von Schauergeschichten geht der Stoff aus. Auch für die Satiriker wird es langsam schwierig, ihn noch zu persiflieren. Neulich sah ich das Video einer Wahlkampfveranstaltung, bei der Menschen im Publikum notärztlich versorgt werden mussten. Mr. Trump ließ 30 min. lang Musik abspielen und schunkelte auf der Bühne. Ich recherchierte, ob dieser Clip ein Maschek-Streich oder das Späßchen amerikanischer Komiker sei: Fehlanzeige. Das ist die Realität.
Als ich in den USA lebte, begriff ich, dass es nicht ein Amerika gibt, sondern nur ein Land der Gegensätze. Die meisten Nobelpreisträger und die einfältigsten Verschwörungstheoretiker. Erzkonservative Bibelfanatiker und die größte Porno-Industrie. Die USA sind New York, Grünkohlchips und die Top-Medizin der Welt, die USA sind aber auch Wohnwagensiedlungen, drei Mal täglich Fast Food und Drogentote auf Spazierwegen. Dass diese Wahl inszeniert wird wie der Kampf zwischen Gut und Böse, passt zu diesem Land.
Ich hoffe dennoch, dass Albernheiten und Schreckensgeschichten ab Mittwoch wieder in den Zuständigkeitsbereich der Schriftstellerinnen und Komiker wandern. Denn sonst sind wir bald arbeitslos. Und angeblich ist das wichtigste Ziel beider Kandidaten: Die Arbeitslosigkeit bekämpfen.
Weitere Infos: www.veakaiser.de
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