Vea Kaisers Kolumne: schick und funktional
Über Männerkleidung, die unerwartetes Lob produziert, das sich unerwarteterweise reproduziert.
Als ich mein erstes Buch veröffentlichte, musste ich meinen Eltern verbieten, bei jeder kleinen Lesung zu erscheinen. Zwölf Jahre später kommen sie nur noch, wenn ihnen mehr geboten wird, als das eh schon bekannte Kind.
Wie vor zwei Wochen beim Event dieser geschätzten Samstagsbeilage: Da gab es etwas zu erleben und Weine zu verkosten. Meine Eltern kamen, als mein Auftritt
vorbei war. Die Laune meines Erzeugers war mäßig: "Sie hat mich gezwungen, mich umzuziehen, obwohl wir eh nur zu deiner Lesung gehen", sagte er und deutete auf meine Erzeugerin.
Am Abend kehrten sie noch in einem stylischen Lokal auf eine Jause ein, als etwas Unerwartetes geschah.
Mein Vater wurde von einer Dame angesprochen: "Sie sehen grandios aus!", sagte sie und lobte vor ihrer Gesellschaft seinen Kleidungsstil: Leger und doch elegant, Jackett kombiniert mit Turnschuhen, würdevoll gealtert und schick. "Ich freu mich, wenn ich gut angezogene Männer sehe", sagte sie, "ich bin Designerin, ich darf das!"
Mein Vater wusste nicht, wie ihm geschah. Er gehört zu jenem hierzulande häufigen Männerschlag, der Kleidung unter einem Aspekt beurteilt: Funktionalität. Er besitzt fesche Smokings fürs Ballgehen, trägt aber an wechselhaften Tagen gern Hosen mit abzippbaren Beinen. Egal, ob Skifahren oder Wespennestentfernen: Mein Vater hat die richtige Kleidung. Sogar als die Sintflut niederging, blieb er trocken: Sein Ölzeug vom Hochseesegeln bewährte sich.
Wir, der freche Nachwuchs, zogen ihn schon öfters damit auf, stets Arbeitshandschuhe, Schutzbrille und Gewandtasche mitzuführen. Dementsprechend perplex war er, von einer echten Designerin gelobt zu werden.
Auf der Heimfahrt wandte er sich schließlich meiner Mutter zu und sagte einen Satz, den sie in vierzig Ehejahren auch noch nicht gehört hatte: "Danke, dass du mir heute das Gewand rausgelegt hast."
Weitere Infos: www.veakaiser.de
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