Fabelhafte Welt: Babyphone und lyrisches Pferd
Warum der kreative Prozess hinter verschlossene Türen gehört und niemals überwacht werden sollte.
Unser Babyphone ist kaputt. Die Reparatur wäre teurer als eine Neuanschaffung und das ärgert mich maßlos. Andererseits gestehe ich, dass ich es mit Verwünschungen, einem schönen Batzen Spucke und großer Genugtuung dem Elektroschrott übergab, denn dieses Ding hat mich oft in die Bredouille gebracht. Alle, die schon mal von der blechernen Übertragung eines hysterischen Kinderweinens aufgeschreckt ins Kinderzimmer rasten, wissen, woran man in dieser Situation denkt: Trinken? Lieblingskuscheltier? Mobile? Nachtlicht? Raumtemperatur? Windel? Zahngel? Woran man nicht denkt: Wenn das Babyphone weiterüberträgt, hört die Abendgesellschaft mit.
Wacht Bambino auf, so singe ich meist, um ihn zurück in den Schlaf zu wiegen. Alle, die abends bei uns zu Gast waren, wissen, dass ich sehr schief singe. Das ist kein Geheimnis, zum Problem wurde, was mich normalerweise ausmacht: meine Kreativität. Da es mir nicht möglich ist, den Text eines Kinderschlaflieds zehntausendmal zu wiederholen, freestyle ich. La-Le-Lu im Wohnzimmer sitzt eine Kuh, und die Mama freut sich riesig, wenn die endlich heimgeht. Ich versuchte, dieser Bekannten zu erklären, dass das lyrische Pferd mit mir durchging. Aber sie besuchte uns trotzdem nie wieder. Frühere Arbeitskollegen meines Mannes hörten: Schlaf Kindlein schlaf, dein Papa ist ein Schaf. Er hat das Haupthaar schön frisiert, und auch sein Schamhaar ist ***, schlaf Kindlein schlaf.
Ich schaffte es auch einmal, dass eine ganze Party verschwand, während ich bei Bambino war: Weißt Du, wie viel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt? Weißt du, wann die Leute gehen aus unsrem Hause in die Welt. Ach mich nervt, dass die noch hocken, und es stinken ihre Socken, bis hinauf ins Kinderzimmer, bis hinauf zu dir und mir. Tja, was soll ich sagen, wenn die Muse küsst, sollte besser niemand lauschen.
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