Alles neu im neuen Jahr

Warum der Wunsch nach Verbesserungen zuweilen davon ausgebremst wird, dass Verbesserungen Veränderungen sind

Seit über einem Jahr wohnen wir in unserem Häuschen am Stadtrand. Zum zweiten Mal haben wir hier ein neues Jahr eingeläutet. Und nun juckt’s mich. Es kribbelt unter den Fingernägeln, es sticht in den Kniekehlen, es raubt mir den Schlaf: ICH WILL UMSTELLEN! 
Nicht nur in meinem Kopf sammeln sich allerlei Ideen, wie man dieses oder jenes Möbelstück besser positionieren und Räume eleganter nutzen könnte, auch körperlich habe ich das Bedürfnis nach Veränderung. Nur kann ich diesem Drang nicht nachgeben. Denn ich bin mit einem Menschen verheiratet, der jegliche Veränderung seiner gewohnten Umgebung grundsätzlich ablehnt. 

Als wir einzogen, befand ich mich im Wochenbett. Da ich mich von einer sehr schweren Geburt mit ungeplantem Kaiserschnitt erholen und vor allem um das Neugeborene kümmern musste, hatte ich weder den Kopf noch die Möglichkeit, die Einrichtung groß zu beeinflussen. Alles wurde also dort hingestellt, wo es auf den ersten Blick gut hinpasste. Nun, nach vielen zweiten Blicken, würde ich das gerne verbessern, aber da auch Verbesserungen Veränderungen sind, ist mein Mann dagegen. „Das steht immer schon da, also muss es da stehen bleiben.“ 
Mein Mann ist doppelter Facharzt, aber die Absurdität dieses Argumentes versteht er nicht.

Ich plane also eine Kampagne aus Schmeicheln, Gut-Zureden, maßstabsgetreuen Plänen, Auflistungen aller Vorteile, Lieb-Sein und schlussendlich: Betteln. Ich hege die Hoffnung, dass der Geist der Erneuerung meine Sache unterstützt. Mache mich aber darauf gefasst, dass dies ein Zermürbungsprojekt werden wird: Wer hält das Sudern des anderen länger aus? Ich seine Raunzereien, dass er keinerlei Veränderung will? Oder er die meinigen Klagen, dass es anders besser wäre? Ehe ist nicht immer ein Kompromiss. Ehe ist auch manchmal ein Wettkampf um den längeren Atem. Lasset die Spiele beginnen! 

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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