Fabelhafte Welt: Prinzipien an der Thermenkassa

Was man sicherlich niemals machen wird, wenn man mal Kinder hat – bis man dann Kinder hat

Neulich standen wir nach dem Babyschwimmen sehr lange an, um auszuchecken. Mein Söhnchen war müde und hungrig. Er zog eine Schnute, öffnete sein kleines Goschi wie ein Vogelküken und ich merkte: Würde ich nicht umgehend handeln, würde er ganz Oberlaa seinen Unmut mitteilen. Ich nahm ihn hoch, schob sein Köpfchen unter meine Bluse und stillte stehend seinen Hunger, ihn mit rechts haltend und links den Kinderwagen schiebend. Ein einander verliebt tätschelndes Pärchen beäugte mich kritisch. Es kam ihnen nicht in den Sinn, eine Mama mit Säugling vorzulassen, stattdessen sagte sie zu ihm: „Also DAS mach ich sicher nicht, wenn wir mal Kinder haben.“ 

Ich lachte. Wie oft hatten mein Mann und ich diesen Satz gesagt? Z. B. über das Hintensitzen im Auto: Das mach ich sicher nicht, hatte ich, der hinten oft schlecht wird, gedacht. Einmal gingen wir mit Freunden spazieren, deren Tochter nur im Buggy schlief, wenn ihre Mutter anschob, ohne ein Wort mit uns zu reden. Das mache ich sicher nicht, kommentierte mein Mann. Und jedes Mal, wenn wir Familien mit übervollen Kinderwagen sahen, die zu Stadtspaziergängen ausgerüstet waren wie zu mehrtägigen Reisen, schworen wir uns: Das machen wir sicher nicht. 
Und dann wurden wir Eltern. Natürlich schleichen wir um unseren schlafenden Sohn herum wie Katzen auf der Pirsch, natürlich steht am Beifahrersitz der Hundekorb, weil ich hinten beim Butzi sitze, während der Kofferraum für jeden Großelternbesuch angeräumt ist wie für einen längeren Urlaub. An der Thermenkasse ließ ich das Pärchen in dem Glauben, dass das Leben mit Kindern so werde, wie man es sich vorstellt. Der Schock, dass dem nicht so ist, kommt früh genug. Dass Elternschaft die heilsame Einsicht darin ist, wie schön es ist, eigene Prinzipien zum Wohle anderer über Bord zu werfen, werden sie schon selbst entdecken. 

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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