Vergessene Unterwäsche und anderes
Warum man, wenn man ein Kind bekommt, wertzuschätzen lernt, dass der Kopf durch den Hals mit dem Körper verbunden ist
Einst gehörte ich jenem unsympathischen Menschenschlag an, der nie etwas Wichtiges vergessen würde. Ich wusste stets, wo sich mein Geldbörsel befand, gratulierte Geburtstagskindern noch vor dem Morgenkaffee und hätte niemals einen Abgabetermin übersehen. Nicht einmal Haargummiringerl kamen mir abhanden. Und dann wurde ich Mutter. Seither vergesse ich alles. Nicht nur Wäsche in der Maschine, Schlüssel oder Handykabel, sondern auch brisante Termine, Einschreiben, mein Alter, zwei von drei Vornamen des Gatten.
Im Kofferraum klebt aus aktuellem Anlass ein gelber Zettel auf der Hundetransportbox: Handyerinnerung aktivieren, um Hund nach Ankunft herauszulassen. Als ich unlängst bei meinen Eltern eintraf, wo ich das Wochenende verbringen wollte, um dank ihrer großelterlichen Superkräfte dringend notwendige Arbeit zu schaffen, hatte ich von Leinen über Spielzeug bis zu Futter, Fläschchen und Shampoo wirklich alles für Bauxi und Wauxi dabei. Nur ein Trumm hatte ich vergessen: meinen Laptop. Ich war hergekommen, um zu arbeiten und hatte tatsächlich mein Arbeitsgerät vergessen. Da fragte ich mich, ob ich den Verstand verliere. Verzweifelt schrieb ich meinen Mami-Freundinnen. Prompt schickte mir eine, deren Sohn gleich alt ist, ein Foto von ihrer Handtasche, in der sich ihre Unterwäsche befand. Sie war in die Stadt gefahren und hatte vergessen, diese anzuziehen. Warum sie Slip und BH stattdessen jedoch in die Tasche gesteckt hatte, konnte sie sich auch nicht erklären. Wahrscheinlich bedeutet Nachwuchs, dass man plötzlich um ein Vielfaches mehr zu bedenken hat, ohne dass das Gehirn auch um jenes Vielfache größer wird. Ich tippte also diese Kolumne in mein Handy und beschloss: Jeder Tag, an dem ich mein Kind nirgendwo vergesse, ist ein Erfolg. Unterwäsche, Laptops, zweite Vornamen – das ist Luxus für Menschen, die durchschlafen.
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