Vea Kaisers Kolumne: Heftiges Sommerflirten
Warum es gar nicht so schlecht ist, dass der Herbst vor niemandem Halt macht.
Ende Juli ist mir etwas passiert, das ich für unmöglich gehalten hatte: ein kurzer, heftiger Sommerflirt.
Ich bin fünfunddreißig, verheiratet, hab zwei Kinder, Hund und Hauskredit – da sollte man wissen, was man will und sich mit den eigenen Entscheidungen arrangiert haben.
Doch dann traf mich Amors Pfeil. Schmetterlinge flatterten im Bauch, rosa Schweinchen tollten umher – und das in St. Pölten. Ja, ich verknallte mich in St. Pölten, meine Geburtsstadt, die nie wieder länger als nötig zu betreten, ich mir nach der Matura geschworen hatte.
In der letzten Juliwoche parkte ich tagsüber die Kids bei meinen Eltern, um in der dortigen Bibliothek an meinem Roman zu arbeiten. Auf meinen Wegen durch die Stadt erlebte ich nicht das Landeshauptkaff von damals, sondern eine hippe und entspannte City.
"Schatz, magst dich nicht als Urologe in St. Pölten niederlassen?", fragte ich meinen Gatten. "Zu weit weg", sagte er. "Wir könnten umziehen", schlug ich vor und schwärmte vom kulturellen Angebot, den kurzen Wegen, den Menschen. "Spinnst du?", mein Mann erinnerte mich an die viele Liebe, die wir in unser Haus steckten, an die Freundschaften rundherum, an alles, was ich vorhabe: "Du willst doch bald den Zaun streichen, die alten Stauden ausgraben, ein Bücherregal bauen, die halbe Nachbarschaft zum Grillen einladen …"
Während er dutzende Projekte aufzählte, die ich wegen des Romans aufgeschoben habe, wurde mir schlecht: So viel zu tun.
Zumindest lernte ich etwas über Sommerflirts: Man verknallt sich nicht in das Objekt der Begierde, sondern in eine Möglichkeit. Sommers ist das Leben leichter, natürlich will man dieses Lebensgefühl bewahren. Aber falls auch Sie nach einem Sommerflirt ihr Leben umkrempeln wollen: Tun Sie’s nicht. Gatsch und Kälte machen vor niemandem Halt, nicht vor Julia, nicht vor Romeo und auch nicht vor St. Pölten.
Weitere Infos: www.veakaiser.de
Über Vea Kaiser
Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.
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