Vea Kaisers Kolumne: Nachträgliche Erziehungsmaßnahmen
Warum die frühen Vögel nicht ausgeschimpft werden, weil sie irgendwann schon ausgeschimpft wurden.
Seit wir zwei Kindergartenkinder haben, kämpfen der Dottore Amore und ich jeden Morgen darum, das Haus rechtzeitig zu verlassen.
Vier Menschen müssen ausgehbereit (gemacht) werden, ein Hund will Ausgang. Alle müssen frühstücken und ihre sieben Sachen zusammensuchen. Man glaubt nicht, wie viel Zeit die Entscheidung benötigt, ob der Tag nach einem Schal mit Bagger oder einem mit Tieren verlangt.
Unerklärlich ist das Verhalten der Stoffkatze. Im gatschigen Garten, im Bad, beim Backen oder Einheizen ist sie dabei. Nur wenn es darum geht, das Haus jetzt zu verlassen (oder der Waschmaschine die Aufwartung zu machen) ist sie unauffindbar.
Alle Eltern schaffen die pünktliche Ankunft, nur wir strudeln Tag für Tag. Da wir die Kinder nicht stressen wollen, stressen wir uns gegenseitig.
Vor versperrter Badezimmertür singe ich ein Klagelied: "Tu weiter!", denn ich bin mit einem Menschen verheiratet, der sich jede Pore einzeln mit einem Wattestäbchen zu säubern scheint. "Kannst du das nicht später machen?", raunzt der Gatte, wenn diese Kolumne vor 10 Uhr abgegeben sein muss.
Die Bambini zerlegen indessen das Haus und der Hund freut sich, dass bald alle weg sind.
Und dann bekamen wir Schimpfen von der Kindergartenpädagogin. Getrennt redete sie dem Dottore und mir ins Gewissen, bis wir den Wecker eine Stunde früher stellten und seither heillos übermüdet, aber pünktlich antanzen.
Das entging den anderen Eltern nicht. "Seids auch g’schimpft worden?", fragte mich ein Vater. Ich nickte.
Er erzählte, dass seine Frau und er auch mahnende Worte brauchten, um die Morgenpünktlichkeit zu verbessern: "Kinder haben bedeutet nicht nur erziehen, sondern auch erzogen werden!" Ich dachte daran, was Bambino I sagte, als ich meinen Schlüssel suchte: "Mama, du musst ihn aufs Brett hängen. Dann weißt du, wo er ist. Das nennt sich Ordnung."
Weitere Infos: www.veakaiser.de
Über Vea Kaiser
Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.
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