Vea Kaisers Kolumne: Über das Abschließen
Warum nicht immer Schampus, Nacktheit und Extase folgen, wenn ein Lebensabschnitt erfreulicherweise zu Ende geht
Nach drei Jahren und drei Monaten täglicher Arbeit hab ich meinen Roman endlich abgegeben. Drei Jahre und drei Monate lang träumte ich davon, mir nach dem Abschicken eine Flasche Schampus zu gönnen. Doch ich tüftelte bis zum Schluss, drückte am letztmöglichen Abgabetag gegen drei Uhr früh auf Senden.
Ich war nicht fertig. Aber so müde, dass ich dann doch fertig war. Glamouröse Abgabefestlichkeiten nach der Geisterstunde sind ohnehin nur was für Autoren ohne Kinder. In meinem Fall klingelte ja um 6 Uhr wieder der Wecker. Ferngesteuert putzte ich den Kleinen die Zähne, servierte Frühstück, und erst in der Kindergartengarderobe merkte ich, dass ich meine Kleidung verkehrt herum angezogen hatte: Die Jeanssäume schauten in die Welt, die Blusenknöpfe lagen innen, die Nähte außen. Kindergartenkinder haben glücklicherweise sehr viel Verständnis dafür, denen passiert das auch regelmäßig. Tage später war ich noch immer nicht motiviert, diesen Meilenstein zu feiern.
Ich war müde, leer, erschöpft. "Fühlt man sich so, wenn die Kinder ausziehen?", fragte ich eine Freundin, deren Nachwuchs bereits das Nest verlassen hatte. "Nein", sagte sie, "wir sind nackert durch die Wohnung getanzt, haben uns betrunken und in jedem Raum schweinisch aufgeführt." Bereits der Gedanke an solche Wildheiten strengte mich an. Aber ich verstand etwas über das Abschließen.
Manch Kapitel unseres Lebens beenden wir, wenn es sich richtig anfühlt. Andere, wenn wir nicht mehr können. Auch Liebesbeziehungen enden nicht nur, nachdem zwei ein rational überlegtes Gespräch darüber führten, dass es nicht mehr miteinander geht. Sondern auch, nachdem man einander fertig machte, bis es wirklich nicht mehr geht. Ich hätte mich gern mit Konfetti und Korkenknallen von meinem Manuskript verabschiedet. Aber fertig ist fertig. Und das ist meistens gut.
Weitere Infos: www.veakaiser.de
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