Vea Kaiser

Vea Kaisers Kolumne: Informationsweitergabe

Wie es zur Lektion in Geduld werden kann, wenn man nur diejenigen Details erfährt, die einen nicht interessieren

Im Kaffeehaus hörte ich unlängst, wie eine Dame die Maulfaulheit ihres Gatten beklagte. Ich beneidete sie. Wenn ich nachhause komme, fällt der Dottore Amore verbal über mich her. Er bereitet die Eröffnung seiner Kassenpraxis vor und teilt ALLES mit mir. Ich weiß, wie viele Klos eine Ordi braucht, welche Zystoskope was können und wo welcher OP-Kittel kratzt. Er weckte mich sogar nach Mitternacht auf, um zu berichten, welche Probleme mit der Online-Terminvergabe ein Kollege hat. 

Wenn mich das Handy aus dem Roman-Überarbeiten klingelt, ruft nie der Kindergarten an. Der Drei- und der Eineinhalbjährige kommen gut ohne mich durch den Tag, nur der Zweiundvierzigjährige muss schildern, wo er welche Wattestäbchen bestellen will, um sie in die Harnröhren anderer Männer zu stecken.

Was mich interessiert, nämlich, welchen Männern und warum, werde ich nie erfahren. Mein Mann nimmt die ärztliche Schweigepflicht ernster als das Glück seiner Ehefrau, die einer pikanten Geschichte nie abgeneigt ist. Dass einer meiner besten Freunde sein Patient ist, erfuhr ich auf einer Party, als dieser zu uns trat und meinen Liebsten fragte: "Kannst du mit mir aufs Klo gehen und schauen, ob’s schon besser ist?" Ich hingegen muss lernen, wie meines Gatten Ärzte-Software funktioniert und denke mir: Seine mitteilungsbedürftige Aufregung hat ihre Berechtigung. 

Der gute Mann arbeitete zweiundzwanzig Jahre auf diesen Moment hin. Ein Grund für die Vielzahl an offenen Kassenarztstellen ist sicherlich, dass nicht mehr viele Menschen bereit sind, ein Vierteljahrhundert auf etwas zu warten. Oder wie viele Leute kennen Sie, die noch nie durchs Geschäft gebrüllt haben: "ZWEITE KASSA BITTE!
Abendelang Dinge zu besprechen, die mich nicht reizen (Harnprobenbecher!), ist zumindest eine Lektion in Geduld. Denn diese kann man von meinem Mann wahrlich lernen.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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