Vea Kaiser

Vea Kaisers Kolumne: Das Wetter in 35 Jahren

Von schlohweißem Haar und Hologrammen. Warum ich hoffe, mit siebzig keine Hosen mehr zu besitzen, aber einen Tiefenbohrer für meinen Mann.

Samstagmorgen, September 2059. In der Casa Kaiser wird gegen vier Uhr früh die siebzigjährige Grand Dame der österreichischen Literatur aufstehen, die ich hoffe, bis dahin geworden zu sein. Ich werde mir das steißbeinlange, schlohweiße Haar bürsten, einen extravaganten Kaftan anlegen und mich über meine erneuerten Hüften, Knie, Schultergelenke und Fingersehnen freuen. 

Dem nach Altmännerart schnarchenden Dottore Amore werde ich einen Kuss auf die Stirn drücken, auf das kleine Fleckerl unterhalb seiner in alle Richtungen peilenden Einsteinlocken und oberhalb seiner wattebuschigen Augenbrauen. Signorino Hündchen V (ein Klon von Signorino Hündchen III) und ich werden äußerln gehen, bevor es zu heiß ist, und ansatzgelangweilt versuchen, eine neue Runde in den vertrauten Stadtrandstraßen zu finden. 

Zurückgekommen werde ich Zitronen ernten, die Drohne einkaufen schicken und mich über den Haushaltsroboter ärgern, der schon wieder nicht so funktioniert, wie ich das möchte. Ich werde meine Söhne anrufen, die mir den Rat geben, ihn aus- und einzuschalten. 

Der Haushaltsroboter wird frech zurückreden, ich werde kapitulieren und mich in mein Atelier zurückziehen, einen ausrangierten Schiffscontainer. Der wird viele Jahre davor an der Grundstücksgrenze aufgestellt worden sein, als mir die Familie eröffnete, meine exzentrischen Schriftstellerinnen-Launen nicht mehr im Haus haben zu wollen.

Der 16. Roman & Schwarzmarkt-Benzin  

Mein mir seit einundvierzig Jahren angetrauter Gatte wird die Siesta durchschlafen. Sobald er seinen Kaffee getrunken haben wird, werde ich die Arbeit an meinem 16. Roman unterbrechen. Gemeinsam werden wir versuchen, die in unseren Handgelenken implantierten Telefone zu aktivieren, uns dabei ungeschickt anstellen, den Haushaltsroboter um Hilfe bitten, der uns auslachen wird. 

Wenn wir es geschafft haben, werden wir die Kinder anrufen und hoffen, dass sie Zeit mit uns verbringen. Sie werden schimpfen: Per Gesetz darf man schon lange sein Telefon nicht mehr ausschalten. Vielleicht werden sie Zeit haben für uns. Dann wird das Wochenende gerettet sein. Falls nicht, werde ich die Mitglieder meines Kultes einberufen müssen. 

Während ich ihnen die vergessene Sprache Altgriechisch und Weisheiten über das Schreiben predigen werde, wird der Dottore Amore im Garten nach Erdöl bohren oder seine Schwarzmarktkontakte und Schmugglerfreunde aufsuchen, um Benzin zu ergattern. Das wird er benötigen, um mit seinem hundert Jahre alten Ferrari zu fahren, einen Kindheitstraum, den ich ihm zum Siebziger geschenkt haben werde, um ihn aufzuheitern, dass er aufgrund des Spatzidoktoren-Mangels erst mit neunzig in Pension gehen darf. 

Von seinem Ausflug wird er mir die in Hologramm-Version mitbringen. Gemeinsam werden wir über die im Keller des KURIER gehaltenen Schauspiel-Roboter lachen, die die Kolumnen zum Leben erwecken. Ich werde sagen: "Kannst dich noch erinnern, als ich dort eine unanimierte Kolumne hatte?" Der Dottore wird antworten: "Das ist zu lange her." Aber wir werden uns freuen, dass es sie noch immer gibt, die dann älteste Samstagsbeilage Europas.  

Weitere Infos: www.veakaiser.de

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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