Vea Kaiser

Fabelhafte Welt: Stundenpläne und schwarze Katzen

Warum gewisse Religionsbekenntnisse nicht zum Familienfrieden beitragen, wenn sie dem Abendessen im Weg stehen

Neulich unternahmen wir einen Familienausflug und übersahen die Zeit. Es mag Kinder geben, die man verköstigen kann, wann immer es gerade passt. Und es gibt unsere Kinder, welche wünschen, täglich zur gleichen Uhrzeit zu speisen. Abweichungen innert der akademischen Viertelstunde werden toleriert, danach folgen Proteste, Streik und Kampfmaßnahmen. Bevor ich Kinder hatte, belächelte ich Stundenplan-fetischistische Eltern. So wollte ich nie werden. Ich lernte: Man kann wollen, was man will. Kinder wollen trotzdem, was sie wollen. In unserer Bedrängnis jedenfalls eilten wir zum Auto, mein Mann fuhr zügig an, „Essen!“, brüllte Bambino I – als eine schwarze Katze über die Straße lief.

NEIN!, dachte ich, ahnend, was folgte: Mein Mann bremste ab und fuhr sehr langsam weiter. Sein Religionsbekenntnis ist leider neapolitanisch-katholisch. Er fürchtet schwarze Katzen, böse Blicke und Spiegel, wenn er nach Verlassen des Hauses in selbiges zurückkehren muss, weil er etwas vergessen hat, das ich mich weigere, für ihn zu holen. „Fahr!“, zischte ich, während sich die Stimmung in den Kindersitzen verschlechterte. „Schwarze Katze!“, sagte er.

„Aberglaube! Dass die Kinder bald ausrasten, ist Fakt!“ Unbeirrt behielt er sein Schneckentempo bei. Für’s Einparken brauchte er ewig und die Pizza, die aus Zeitnot auf den Tisch kam, mussten wir reißen –  er versteckte die Messer. Als die Kinder endlich schliefen, zählte ich zwanzig weiße Haare mehr. „Wenn man so eine Angst vor dem Unglück hat, bringt das Unglück“, sagte ich. „Wir haben sicher größeres Unglück verhindert“, sagte er, doch als ich zu einem langen Vortrag ansetzte, warum Kinderbedürfnisse Priorität haben vor deppertem Aberglauben, sprang er auf und ging schlafen. „Garantiert bringt es Unglück, wenn wir heut noch weiterreden.“ Und damit hatte er ausnahmsweise Recht.

 

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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