Fabelhafte Welt: Der Waschbär und der Hamster
Vom Balanceakt auf einem dünnen Seil namens ehelicher Haushaltsarbeitsteilung – bei Starkwind.
Kind, Hund, Haus, Garten und zwei Vollzeitjobs unter einen Hut zu bringen, ist ein Balanceakt auf einem dünnen Seil bei kräftigem Wind, der nur durch solide Arbeitsteilung und noch mehr Langmut gelingt.
Man darf keinesfalls ausrasten, wenn der Partner seine Aufgaben nicht bestmöglichst erfüllt, sonst fällt man von diesem Seil des Familienfriedens hinunter in eine tiefe Schlucht aus energiefressender Streiterei.
Mein Dottore hat beispielsweise akzeptiert, dass Ordnung für mich bedeutet, dass sich alle Bewohner einer Schublade in jener Schublade befinden, egal, was sie drinnen treiben.
Ich toleriere, dass meines Mannes süditalienische Gene ihm verunmöglichen, den Müll richtig zu trennen. Wir balancieren. Er legt hinter meinem Rücken Löffel zu Löffel und Gabel zu Gabel, ich wühle abends im Restmüll, um das Altglas herauszufischen. Ich war gern der Familienwaschbär, bis ich die Garage frühlingsputzte und entdeckte, dass mein Mann der Familienhamster ist: Anstatt das Altglas zu entsorgen, wie es seine Aufgabe war, stapelte er es seit Herbst in der Garage.
Bleib auf dem Seil, sagte ich zu mir, und räumte die Flaschen in seinen Kofferraum. Am nächsten Morgen stand das Altglas im Vorgarten und sang ein schnapsrauschiges Lied davon, dass wir im November seinen Vierziger feierten. Bleib auf dem Seil, beschwor ich mich, obwohl unsere züchtigen Nachbarn in diesem Laster-Monument sicherlich keine Erinnerung an eine Party sahen, sondern den Beweis für eins: Die Schriftstellerin da drüben säuft. BALANCE, dachte ich und räumte die Flaschen zurück in seinen Kofferraum. Morgens standen sie noch besser sichtbar beim Gartenzaun.
„Ich bring sie eh irgendwann weg“, sagte mein Gatte und ich verstand: Als Mann und Frau mag man es schaffen, auf einem Seil zu balancieren. Doch Hamster und Waschbären sind nicht dafür gemacht.
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