Party am Familientisch

Warum das Verteidigen der Familienehre in Zeiten des Schlafmangels Aufgabe der nächsten Generation ist.

Bei Hochzeiten wurden der Dottore Amore und ich einst an den Partytischen platziert.  Nahe der Tanzfläche und fernab von mürrischen Großvätern und Etepetete-Tanten, die sich durch lauthals feierndes Volk beim Essen gestört fühlen. Wir waren dem Zelebrieren der Liebe noch nie abgeneigt, zählten meist zu den fleißigsten Tänzern und den letzten, die zu Bett gingen. EINST.
 Als wir die erste Hochzeit mit unserem Filius besuchten, fanden wir uns auf bisher ungewohntem Terrain wieder: am Jungfamilientisch, zwischen Wickelbereich und Kinderspielecke. Aus alter Gewohnheit wollte ich auf das Brautpaar anstoßen, doch keiner meiner Tischnachbarn hob das Glas. „Ich still noch“, „Muss gleich mit den Kindern schlafen gehen“, „Ich hatte schon zwei Glas Sekt Orange“.

Doch auch der Familientisch kann feiern. Piratenschnitzl-Stücke flogen in den Blumenschmuck und aufgekratzte Kiddies machten Party hard zum Evergreen der Windelfeten: Hörst du die Regenwürmer husten? Um halb elf, als unser Bambino im Reisebettchen schlummerte, fanden mein Liebster und ich uns schließlich auf der Tanzfläche ein. Auf meinem Kleid klebte Hochzeitstorte, aus seiner Jacketttasche lugte der Monitor des Babyphones. „Darf ich bitten?“, sagte mein Mann und wirbelte mich vier Lieder lang über das Parkett. Mir stiegen die einhalb Gläser Weißwein zu Kopf. Er trug Sonnenbrille, um seine rekordverdächtigen Augenringe zu kaschieren. Zumindest bis zur mitternächtlichen Gulaschsuppe hielten wir durch.
 Am nächsten Tag hingen wir genau so erledigt beim Frühstück wie das kinderlose Feiervolk, das überhaupt nicht geschlafen hatte. „Schau, was die können, können wir auch!“, sagte mein Mann. Unser Sohn feierte indessen Afterparty in der Krabbelecke. Und rettete den Ruf unserer Familie als Hochzeitspartypeople, während seine Eltern richtig alt aussahen.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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