Fabelhafte Welt: Die Strebereien des Lebens

Was man im schwarzhumorigen Pessimisistan leicht übersieht, aber zum eigenen Wohlbefinden zuweilen beachten sollte.

Neulich benötigte ich etwas von meiner Sozialversicherungsanstalt. 

Online stellte ich einen Antrag, der umgehend bewilligt wurde. Nicht nur in meinem Sinne, sondern kulanter, als ich gebeten hatte. Das ließ mich innehalten. Vor bald acht Jahren erzählte ich an dieser Stelle, dass mich kein Mann so oft zum Weinen gebracht hat wie die Sozialversicherungsanstalt. Wannimmer ich vorsprach, wurde ich herzlos abgewimmelt. Doch das hat sich geändert. Meine Sozialversicherungsanstalt scheint sich ein Herz bewilligt zu haben. 

Warum ich das erzähle? Weil ich mich selbst dabei ertappe, im Alltag mehr Aufmerksamkeit auf das zu legen, was sich verschlechtert, als auf das, was sich verbessert. Wir Österreicher leben schließlich auch im schwarzhumorigen Pessimisistan, das Weltgeschehen ermutigt auch nicht gerade zu morgendlichen Optimismushopsern und besonders für uns Kolumnistinnen haben die kleinen Geschichten des täglichen Scheiterns mehr Erzählpotential als alles, was funktioniert. 

Journalistisches Schreiben ist ja der Versuch, die Gegenwart zu erfassen, damit man versteht, was passiert. Kolumnen hingegen verlangen, persönliche Geschichten zu erzählen, bei denen man denkt: Aja, ist mir auch schon passiert. Oder: Aso, das passiert anderen. Im besten Fall hat das Unterhaltungswert, und da sind die kleinen Anekdoten vom lustvollen Straucheln fruchtbarer als fade Berichte von dem, was reibungslos läuft. 

Oder wie mein Mann gern zu mir sagt, wenn ich ihn mal wieder über seine falsche Mülltrennung aufkläre: „Niemand mag Streber.“ Streber sind langweilig und zuweilen anstrengend. Doch den Strebereien des Lebens ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken, tut gut. Denn es wird ja nicht alles schlechter – das meiste verbessert sich, auch wenn das keine amüsante Geschichte abgibt. Das Wohlbefinden steigert es allemal. 

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

Kommentare