Fabelhafte Welt: Der neapolitanische Kaffeebotschafter
Warum nicht immer alle alles probieren müssen, besonders wenn’s um Essen und Trinken geht.
Drei meiner Geschenke haben den Dottore Amore zu Freudentränen gerührt: Sohn I, Sohn II und die Kaffeemaschine. Bei letzterer handelt es sich um eine potente Siebträgermaschine, wie man sie in Neapels, für ihren kräftigen Café berühmten Bars findet. Mein Mann hegt starke Gefühle für seine Maschine. Nur ausgewählte Menschen dürfen sie nach langer Einschulung benutzen. Putzen und entkalken ist Chefsache. Muss sie zum Service, ist er besorgt und freut sich bei ihrer Rückkehr mehr, als wenn ich nach einer Nacht auswärts heimkomme. Würde ich diesem die Lebensgeister aufscheuchenden Espresso nicht verdanken, trotz zweier Kleinstkinder Energie für das Schreiben zu haben, ich würde ausrasten vor Eifersucht.
Indessen zelebriert mein Mann jeden Schluck und ist stolz darauf, dass wir die Familie mit dem am meisten neapolitanischen Café in Wien sind. Würde ich ihn nicht regelmäßig zur Zahnreinigung schicken, er würde sogar den Röstaromabelag seiner Beißerchen mit Stolz tragen. Leider kommt dieser Stolz mit einem ausgeprägten Missionierungsbedürfnis. Wer zu uns kommt, dem wird der Café nicht angeboten, sondern aufgedrängt. Unsere Freunde witzeln darüber, dass man ans Schlafen gar nicht erst denken braucht, hat man uns besucht. Meine Mutter verweigert ihn zu trinken, weil sie, wie sie meint, ihre Enkerl noch aufwachsen sehen will. Als mein Mann neulich einem älteren übergewichtigen Techniker einen doppelten Espresso aufschwatzte, zwang ich ihn, diesen ob etwaiger Herzkasperl nicht aus den Augen zu lassen. Und der jungen Dame, die sich bei uns als Babysitterin bewarb, kam der Café vor dem Gartentor gleich wieder hoch. Daraufhin sagte ich denselben Satz zu meinem Mann, den er einst äußerte, als er Omas weltberühmtes Beuscherl probieren sollte: "Es ist schön, wenn das jemandem schmeckt. Aber nicht alle müssen alles probieren.“
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