Fabelhafte Welt: Das Faschingsfernsehprogramm
Warum mancher Menschen größtes Vergnügen anderer Menschen größte Toleranz-Herausforderung ist.
Das Faschingsfernsehprogramm ist meine größte Toleranz-Herausforderung. Ich hab zwar seit 17 Jahren keinen Fernseher mehr, aber was dieser Tage passiert, bekommt sogar ein kasterlloser Bücherwurm wie ich mit: Skifahren und Opernball. Meiner Großfamilie sind beide TV-Ereignisse heilig.
Wird ein wichtiges Skirennen übertragen, läuft sogar am Sonntagstisch der Fernseher. Die Suppe tropft den Mitfiebernden aus dem Mund, das halb-zerkaute Schnitzel salutiert ein letztes Mal dem Tageslicht, wenn vor Freude aufgeschrien wird. Zur Opernballübertragung gibt es traditionell Sekt, Heringsschmaus und am nächsten Tag frei. Dass jene Nachrichtenansager, die man zuletzt mitmoderieren ließ, dies heuer nicht mehr tun, war für meine Mutter die beste Nachricht des jungen Jahres.
Sie freute sich, ich seufzte. Tanzen und Skifahren sind legitime Freizeitbeschäftigungen, sollten aber Privatsache sein und nicht Objekt der TV-Berichterstattung. Profi-Skiläufer machen es zum Lebensinhalt, den Überlebenstrieb abzudrehen und als atmende Geschosse auf Brettern einen vereisten Steilhang hinunterzurasen, nur, um ein paar Hundertstel schneller zu sein als andere. Kann man machen – dem zuzujubeln ist aber Beihilfe zum Knochenbruch.
Und worin das Vergnügen besteht, maximal aufgetackelten, sich vergnügenden Prominenten dabei zuzuschauen, den Geltungsdrang aufzudrehen, versteh’ ich auch nicht. Was ich mittlerweile verstanden habe: Das Problem liegt bei mir. Ich hab einen Gen-Deffekt in meiner Österreich-DNA. Diese Mutation nennt sich Morbus Nestbeschmutzerus und führt zu Ablehnung von Skifahren und Opernball im TV. Das erzählte ich dem Dottore Amore, woraufhin er eine allzu österreichische Kur vorschlug: "Sauf dich halt an. Macht beides mehr Spaß mit einem kleinen Rausch.“ Wir werden das nächstes Jahr ausprobieren. Der Toleranz wegen.
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