Grüsse aus Quarantänistan
Wirkliche Freundschaft oder nur Insta-Momente?
Jetzt hatte es mich auch erwischt. Immer wenn man das Goscherl zu weit aufreißt, Marke „Jetzt bin ich zwei Jahre durchgerutscht, die paar Wochen schaffe ich auch noch“, pfeift das Schicksal, oder wer immer da oben Dienst hat, einen zurecht. So à la „Gnädigste, Hybris ist zwar schwer in Mode, aber trotzdem für uns nicht tragbar, zwei Felder zurück, einmal aussetzen.“ Quarantänistan schreckt mich nicht wirklich: Ich habe circa 2.000 chaotisch geordnete Bücher, tendiere aber mit der guten Ausrede einer mäßig belastbaren Birne zum Netflix-Binging. Suchtfaktor natürlich: „Inventing Anna“, die gefakte Millionenerbin mit russischen Wurzeln, die New York am Nasenring spazieren führte und um Millionen betrog. Die Story ist eine brillante Krankheitsdiagnose unseres Ist-Zustands. Die Frage, die dieser Felix-Krull-Nachfahrin 2.0 von der Reporterin in einem Interview gestellt wurde, ging mir nicht mehr aus dem Kopf: „War es wirkliche Freundschaft oder ging es nur um die Insta-Momente?“
Ich dachte an die tausenden Fotos auf Instagram, wo „basic bitches“ (so Anna Sorokins Terminus) im Duckface-Modus Dolce Vita simulierten und sich mehr Sorgen um ihr „Gefällt das“-Aufkommen machten, als es ihnen um die tatsächlichen Erlebnisse ging. Es drängt sich eine Variante des IKEA-Slogans auf: Postest du noch oder lebst du wieder? Ich war übrigens extrem gerührt, wie viele Freunde sich während meiner Quarantänistan-Phase aus den entlegensten Bezirken anboten, Dinge vor die Tür zu stellen. Das zigfache „Brauchst du was?“ hatte eine wirklich beruhigende Nebenwirkung. Ich überlegte ein paar Mal kurz, ob ich die Anbietenden auf die Feuerprobe stellen und antworten sollte: „Einmal die britische Vogue, drei Punschkrapfen vom Demel, ein Töpfchen Rindssuppe und eine überteuerte Feuchtigkeitsmaske, am liebsten von Chanel“, ließ es aber dann bleiben. Denn dann hätte mir das Schicksal völlig zu Recht den bösen Finger gezeigt. Danke, dass es euch alle gibt!
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