Religionslehrerinnen-Reife

Nach Jahren im Dauer-Drama-Burnout wollte mein Freund einfach Normalität

Ich bin jetzt mit „ner herrlich normalen Religionslehrerin sehr, sehr glücklich“, sagte mein ansonsten so spröder Hamburger Freund. Wenn Menschen ungefragt erklären, wie spitzenmäßig es bei ihnen läuft, werde ich gerne skeptisch, zirpte dennoch: „Wie schön für dich! Ich hoffe, sie gibt in ihrem Unterricht allen Göttern denselben Beachtungslevel, damit auch hier der Diversitätsgedanke hoch gehalten wird.“ Er sah mich an wie etwas, das die Katze von weit draußen angeschleppt hatte: „Bist du jetzt auch schon so verpeilt? Das geht mir so auf den Sack, dieses „Als Frau oder Mann gelesen“-Getue. Man hat ja den Eindruck, als ob die ganze Republik trans-irgendwas sei. In jedem Werbespot über Allgäuer Hartwurst tanzen plötzlich alle Hautfarben, damit alle ihr Gewissen beruhigen und sich versichern, wie weltoffen sie nicht seien. So verlogen!“ Es war heikles Terrain. Unter uns: Ich war auch etwas genervt von diesem Woke-Gestreber, über das man nicht einmal ein kleines Scherzchen loslassen durfte, ohne eine Empörungssuada loszutreten, hatte aber keine Kraft für eine Debatte.

„Also eine Religionspädagogin!“, flötete ich. Mein Hanseate war früher Spezialist für Anstrengungen in Frauenform gewesen. Eine Toxic-Prinzessin reihte sich an die nächste. Alles Frauen mit wunderschönen, hysteriebereiten Gesichtern, die immer wieder einmal schreiend und barfuß aus dem Restaurant oder sonst wo wegliefen, um später in einem Lichtkegel von Aufmerksamkeit zu duschen. Dann gab’s natürlich Versöhnungssex auf Mülltonnen und neben brennenden Ölfässern. Mit solchen Damen blieb das Blut in Wallung, aber man landete natürlich auch unausweichlich im Drama-Burnout. „Irgendwann muss auch ich erwachsen werden“, seufzte er jetzt. Der Mann war 48, sah aber Jahre älter aus. Kam wahrscheinlich vom Hysteriebereitschaftsdienst. Sorry, Woke-Polizei, total frauenfeindlich, ich weiß. Ich lese mich aber als Frau, ich darf das.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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