Vielversprechendes Multitalent: Hyaluronsäure

Die Hyaluronsäure erlebt einen gewaltigen Hype. Die Kosmetikindustrie und auch die Medizin nutzen den Wirkstoff.

Entdeckung

Es war ein eigenartiger Stoff, den Palmer und Meyer Mitte der 30er- Jahre in den Augen von Rindern entdeckten. Die gallertartige Substanz war sowohl durchsichtig als auch glasig. Deshalb gab ihr das Medizinerduo den Namen Hyaluronsäure, abgeleitet aus dem altgriechischen Wort „hyal“ für „Glas“. Der zweite Wortteil rührt von Uronsäure her, die in der Struktur der Hyaluronsäure ebenso identifiziert wurde. Dass der Stoff im menschlichen Körper vorkommt, ja sogar von ihm selbst gebildet wird und für viele Funktionen extrem wichtig ist, wusste man dazumal noch nicht. Wohl auch deshalb ging die kommerzielle Nutzung des interessanten Polysaccharids, das Hyaluronsäure aus chemischer Sicht ist, vorerst in eine völlig andere Richtung. Der gebürtig aus Ungarn stammende Biochemiker Endre Balazs (1920-2015) meldete die Hyaluronsäure 1942 zum Patent für die Nutzung als Eiweiß-Ersatzstoff für Backwaren an, was allerdings nicht von Erfolg gekrönt war.

Natürlich

Balazs, der später eine fabelhafte Universitätskarriere in Amerika machte, blieb an der Substanz dran. Durch seine langjährigen, höchst aufschlussreichen Forschungen avancierte er zu der internationalen Kapazität in Sachen Hyaluron. Das Resümee über den vielfach als Wunderwaffe bezeichneten Wirkstoff sieht vorläufig so aus: Hyaluronsäure kommt praktisch in jeder Körperregion vor. Sehnen, Bindegewebe und Bänder sind sogar weitgehend aus Hyaluron aufgebaut, was wiederum für Polsterung, Elastizität und Druckbeständigkeit sorgt. Auch im Glaskörper des Auges ist es zu finden, was Sinn macht, da im Auge viel Wasser gehalten werden muss. Damit tritt eine der wichtigsten Fähigkeiten von Hyaluronsäure zutage: Sie besitzt die geniale Fähigkeit größere Mengen Wasser zu binden. Das erklärt auch, weshalb mit gut 50 Prozent der Löwenanteil an Hyaluron in der Haut zu finden ist. Dort fungiert es als Gerüstbaustein in der extrazellulären Matrix, heißt: Sie dient dort als Stabilisator zwischen den Hautzellen. Das wiederum erklärt, weshalb die Kosmetikindustrie so happig auf den Stoff ist. Mit Hyaluronsäurepräparaten ist es tatsächlich möglich, Falten zu glätten und zarte Fältchen vollends zum Verschwinden zu bringen. Ein Wirkeffekt, der für etwa sechs bis neun Monate anhält, danach baut sich Hyaluronsäure auf natürlichem Weg – leider – wieder ab. Der Körper tut das übrigens mit zunehmendem Alter auch. Gerade deswegen ist die Medizin so interessiert an dem Wirkstoff.

Wie geschmiert?

Ärzte nutzen die Substanz abseits schönheitschirurgischer Eingriffe – da etwa zur Faltenunterspritzung, Modellierung von Lippen, Narben, Dellen oder zur Auffrischung der Haut – längst auch bei ernsthafteren Problemen. So kann mit Hyaluronsäurepräparaten das Trockene Auge – „dry eye syndrom“ – behandelt werden. Aufgrund der guten Wasserbindungskapazität, der Schmierwirkung, Haftfähigkeit und wundheilungsfördernden Eigenschaften von Hyaluron interessiert sich die Wissenschaft auch für ihren Einsatz bei Arthrosen. Hyaluronsäurespritzen könnten die Stoßdämpfer- und Schmierwirkung in Gelenken verbessern. Wie wirkungsvoll Injektionen mit Hyaluronsäure – das heute nicht mehr wie früher aus Hahnenkämmen gewonnen, sondern biotechnologisch hergestellt wird – tatsächlich sind, muss durch weitere Studien präzise geklärt werden. Fallen diese positiv aus, wäre das fundamental, weil dank Hyaluron Gelenke wieder geschmeidiger und schmerzfrei funktionieren könnten.

Cordula Puchwein

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