Ohne Worte: Kann man den Musikgeschmack am Gesicht ablesen?

Eine neue Studie legt nahe, dass Gesichtszüge Aufschluss über die musikalischen Vorlieben eines Menschen geben können.

Unsere Vorlieben in Sachen Kleidung, Literatur und Einrichtung können viel über unsere Persönlichkeit verraten. Auch unsere Mimik und Körpersprache stellen ein Fenster zum Ich dar – aber kann unser Aussehen auch Aufschluss über unseren Musikgeschmack geben?

Mit dieser Frage haben sich Forscherinnen und Forscher um die Psychologin Laura Tian von der Universität Toronto beschäftigt. Ihre Erkenntnisse wurden kürzlich im Fachblatt Personality and Social Psychology Bulletin publiziert. Und diese legen nahe, dass Menschen anhand von Gesichtern tatsächlich den Musikgeschmack anderer erahnen können.

Genres und Gesichter

Tians Team rekrutierte 206 Frauen und 82 Männer, die ihre musikalischen Vorlieben angeben und sich fotografieren lassen mussten. Den Probandinnen und Probanden wurde der Sinn und Zweck der Studie – zu untersuchen, ob sich individuelle Musikpräferenzen äußerlich abbilden – nicht offenbart. Ziel war, sicherzustellen, dass die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer möglichst unbefangen auftreten und musikalische Vorlieben nicht durch ihre Kleidung oder Frisur vorwegnehmen.

Die musikalischen Interessen wurden in vier Hauptkategorien eingeteilt: energiegeladen/rhythmisch (dazu wurden Dance, Soul/Funk und Rap gezählt), intensiv/rebellisch (dazu gehörten Rock, Metal und alternative Musik), nachdenklich/komplex (dazu zählten Jazz, Folk, Klassik und Blues) und pop-lastig/konventionell (dazu gehörten Country, Pop und religiöse Musik).

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bewerteten anhand einer Skala, wie sehr ihnen diese Genres gefielen. Ihre Fotos wurden außerdem beschnitten und dabei der Kopf beziehungsweise einzelne Gesichtsmerkmale isoliert vom Rest des Körpers sichtbar gemacht.

Tian und ihr Team rekrutierten außerdem fast 4.000 Testpersonen, die beurteilen sollten, welche Musikstile die Menschen auf den Fotos ihrer Meinung nach bevorzugen. Man legte ihnen dafür entweder die vollständigen Bilder oder die Kopfausschnitte vor.

Expressive Köpfe

Es zeigte sich, dass die Betrachterinnen und Betrachter in der Lage waren, die Vorlieben der Menschen für energiegeladene und rhythmische Musik genau vorherzusagen, wenn sie die Bilder ihrer Körper mit und ohne abgeschnittenen Köpfen betrachteten.

Intensive und rebellische musikalische Vorlieben wurden durch isolierte Bilder von Körpern, Köpfen, Gesichtern, Mündern und Augen der Teilnehmer genau vorhergesagt. Köpfe, Gesichter und Münder sowie Ganzkörperbilder ermöglichten es den Betrachterinnen und Betrachtern auch, die Vorlieben der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für nachdenkliche und komplexe Musik genau vorherzusagen.

Interessanterweise war das Faible für poppige und konventionelle Musik weniger leicht vorherzusagen – denkbar sei laut den Forschenden, dass Fans dieser Genres nicht so viele charakteristische Gesichtsausdrücke oder Kleidungsstile aufweisen oder weil sie zögerlicher sind, ihre musikalischen Vorlieben nach außen zu tragen.

Insgesamt waren Köpfe aufschlussreicher als Körper: "Das deckt sich mit Forschungsergebnissen, die zeigen, dass Menschen bei der Bildung des ersten Eindrucks häufiger auf Gesichtsmerkmale als auf Körpermerkmale zurückgreifen, vermutlich, weil Gesichtsmerkmale exaktere Informationen enthalten", schreiben die Forschenden.

Die Ergebnisse würden auch andere Forschungen widerspiegeln, die gezeigt hätten, wie Gesichtsmerkmale alles von Nationalität und Religiosität bis hin zu sexueller Orientierung und politischer Einstellung verraten können.

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