Wiens versteckte Orte der lebenslustigen Schönheit
Von der Kennedybrücke bis zur Schlossallee gibt es allerhand zu entdecken.
Die Kennedy-Brücke, die Hietzing mit Penzing verbindet, ist ein merkwürdiges Bauwerk. Man braucht ein paar Schritte Abstand, um zu erkennen, dass dieser Neubau der ehemaligen Franz-Josephs-Brücke aus den Jahren 1961 bis 1964 eine entzückende Eleganz verströmen kann. Die Brücke führt über den Wienfluss und die Fahrbahnen der in die Innenstadt führenden Wienzeile. Außerdem enthält sie den Verkehrsknotenpunkt der damaligen Stadtbahnstation „Hietzing“ und mehrerer Straßenbahnstationen.
Aus der Nähe ist von der schwebenden Konstruktion kaum etwas zu erkennen, zu vollgeräumt und kleinteilig ist die Ausstattung des Mehrzweckrondells. Aber ein paar Schritte in die Nisselgasse genügen, um die vom Architekten Fritz Pfeifer entworfene Konstruktion mit ihrem luftigen, den zentralen Brückenbereich überspannenden Flugdach in ihrer Gesamtheit zu erfassen, idealerweise, wenn der Autoverkehr Richtung Hütteldorf für ein paar Sekunden versiegt.
Ab in die Karibik
Dann zeigt sich dieser Ort in einer lebenslustigen Schönheit, die man ihm sonst gar nicht ansieht: ein verbreitetes urbanes Phänomen. Ich gehe die Nisselgasse entlang und biege in die Penzinger Straße ein. Aber ich komme nicht weit, denn schon vor den Hausnummern 39 – 41 muss ich stehen bleiben, um die erloschene Leuchtschrift des längst ausgezogenen „Reisebüro Raab“ zu betrachten, die hier mit heiterem, typografischem Schwung einen längst vergangenen Optimismus dokumentiert. Ein Plakat im Schaufenster, von dessen Farben nur die Blautöne übrig geblieben sind, weiß etwas von „Karibik all inclusive“, wobei ich dieses Konzept bis heute nicht ganz verstehe. Was heißt denn „inclusive“, und was heißt vor allem „all“? Nur ein paar Schritte weiter, und ich bleibe an der Fassade des Gemeindebaus Ecke Penzinger Straße/Philippsgasse hängen. Das Gebäude besitzt dreieckig vorspringende Erker und einen zentralen Aufbau mit kunstfertig gestaltetem Fenster. Über dem Eingang steht die monumentale Skulptur „Der Schmied“ von Oskar Thiede.
Am auffälligsten sind die kreisförmigen Putzornamente, die auf die gelbe Grundfarbe aufgebracht sind und dem Gebäude aus den Jahren 1924/25 etwas Heiteres, Kunstsinniges verleihen. Diese Wohnbauten landeten vor fast hundert Jahren wie ein Raumschiff auf brach liegenden Baugründen im ehemaligen Straßendorf Penzing. Sie brachten Geschäfte, Waschküchen, einen Kindergarten und eine Badeanlage für die Bewohner mit. Den Kindergarten gibt es immer noch, und die Stadt hat der Vorstadt längst ihren Charakter aufgezwungen, nicht aber, ohne an vielen Stellen von der dörflichen Vergangenheit zu erzählen.
So wandere ich weiter durch diese bunte Mischung von Gewerbe- und Wohnhäusern, Prunkbauten und Institutionen (damit meine ich das Reinhardt-Seminar in seinem herrlichen Garten), biege ab in den Heinz-Conrads-Park, erinnere mich, dass der Griaß-eich-die-Madeln-servas-die-Buam-Entertainer ganz in der Nähe gewohnt hat – und spare mir den großartigen Blick von der Schlossallee auf das Schloss Schönbrunn als Schlussakkord für das Ende meines Wiener-Lebenslust-Spaziergangs auf.
Die Route
Kennedybrücke – Nisselgasse – Penzinger Straße – Heinz-Conrads-Park – Schlossallee: 2.800 Schritte
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